© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Im Erfolg vereint
Hannover: Auf ihrem ersten Parteitag nach dem Austritt von Bernd Lucke vermeidet die AfD Streit und präsentiert sich geschlossen
Hinrich Rohbohm

Es geht auch anders. Auf ihrem vierten Bundesparteitag in der Niedersachsenhalle von Hannover gelingt der Alternative für Deutschland (AfD) ein weitestgehend harmonischer Auftritt. Verwunderlich ist das nicht. Schließlich geht es dieses Mal weniger um Inhalte als vielmehr um Satzungsfragen. Die Doppelspitze, vor einem Jahr erst abgeschafft, wird wiedereingeführt, die Junge Alternative (JA) als Jugendorganisation formell anerkannt.

Zudem sind den knapp 500 Delegierten noch die Tumulte des Parteitags von Essen in Erinnerung, als sich die Mitglieder stritten wie die Kesselflicker und schließlich ihr einstiges Aushängeschild Bernd Lucke mit Pfiffen und Buhrufen regelrecht aus der Halle jagten. Die Folge: ein Absturz in Umfragen und ein dramatischer Mitgliederverlust. Rund 15 Prozent der AfD-Mitglieder kehrten der Partei den Rücken.

Resolution des Vorstands fällt durch

Dann kam die Asylkrise. Und mit ihr der Wiederaufstieg der AfD. Einige Meinungsforscher sprechen bereits von zweistelligen Ergebnissen, sehen ein Wählerpotential von bis zu 20 Prozent. Viele Delegierte reden von einer zweiten Geburt. „Dieser Parteitag wird anders verlaufen als die anderen“, kündigt denn auch AfD-Sprecher Jörg Meuthen an. Und: „Wer auf eine neue Spaltung hofft, der wird enttäuscht werden“, prognostiziert er. Jedoch nicht ohne einen Seitenhieb auf den einstigen Lucke-Flügel auszuteilen, dessen Anhänger die AfD inzwischen weitestgehend verlassen und mit der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) eine neue Partei gegründet haben. Für die Gruppierung hat Meuthen nur Spott übrig und bezeichnet sie als „überangepaßte Freunde des Alphabets“ und „demoskopisch irrelevant“. Die AfD dagegen sei „quicklebendig“, habe inzwischen die starken Mitgliederverluste vom Sommer dieses Jahres kompensiert.

Frauke Petry hingegen warnt in ihrer Rede: „Mit jedem Prozentpunkt, den wir hinzugewinnen, wird es zunächst schwieriger für uns. Das werden wir noch einige Jahre aushalten müssen.“ Womit sie vor allem den Umgangston der etablierten Parteien gegenüber der AfD meint. Auch sieht sie ihre Partei einer permanenten Diffamierungskampagne durch die Medien ausgesetzt, die sie selbst als „Pinocchio-Presse“ bezeichnet. Eine Anspielung auf das von AfD-Mitgliedern verwendete Wort „Lügenpresse“, für das sie angesichts einer oftmals unfairen Berichterstattung Verständnis habe. Im Bundesvorstand hingegen werde das Wort aber nur „sparsam“ benutzt. In der Asylkrise wirft Petry der Bundesregierung Konzeptlosigkeit vor, fordert zudem Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Rücktritt auf. „Sie schaffen das“, frohlockt die 40jährige ironisch. Merkel habe ihren Regierungsauftrag längst aufgegeben, in ihrer zehnjährigen Regierungszeit sei der Bürger zu einem „Zaungast von Scheindebatten“ degradiert worden.

Der Beifall für Petry ist groß, aber nicht euphorisch. „Es war eine solide, aber keine große Rede“, sagt ein Delegierter der JUNGEN FREIHEIT. Ähnlich unaufgeregt verlaufen auch die Antragsberatungen. Wenig Streit, wenig Emotionen. Das ist ganz nach dem Geschmack der Parteiführung, die der Öffentlichkeit eine handlungsfähige, ernstzunehmende AfD präsentieren möchte. Wir sind keine Chaos-Partei, kein zerstrittener Haufen ist die Botschaft, die beim Wähler ankommen soll. Wermutstropfen für Petry und Co.: Eine Resolution des Bundesvorstands zur Asylkrise findet keine Mehrheit, die Delegierten folgen einem Entwurf des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Ausgerechnet des Verbandes, dem Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell vorsteht. „Unser Entwurf ist lediglich ausführlicher, keinesfalls erheblich schärfer“, betont Pretzells Co-Sprecher in NRW, Martin Renner, der den Entwurf formuliert hatte. 

„Der Entwurf des Bundesvorstands war mit heißer Nadel gestrickt“, räumt Jörg Meuthen ein. Er habe daher kein Problem damit, daß sich nun ein anderer Entwurf durchgesetzt habe. Dem Programmparteitag im April nächsten Jahres sieht er optimistisch entgegen. „Ich glaube, wir werden das gut hinbekommen.“ Auch vom rechten Flügel um Björn Höcke erwartet er weniger Probleme als gemeinhin angenommen. „Der ist doch nicht dumm, der hat doch auch gemerkt, daß es für die eine oder andere Aktion von ihm parteiinterne Kritik gegeben hat.“ Tatsächlich hält sich der Thüringer auf dem Parteitag merklich zurück, ein krasser Gegensatz zu seinen markigen Auftritten bei Talkshows und Demonstrationen.

Letztere hatten eigentlich SPD, Gewerkschaften und diverse linksradikale Gruppierungen in großem Stil gegen die AfD angekündigt. 5.000 Teilnehmer sollten durch Hannover ziehen, um dann vor der Niedersachsenhalle zu protestieren. Ein großes Polizeiaufgebot ist zugegen. Die Tagungsleitung warnt: „Gehen Sie bitte nicht nach draußen, um Provokationen zu vermeiden. Wenn Sie später durch die Innenstadt laufen, bitte möglichst nur in Gruppen.“ Doch der Protest entpuppt sich schnell als Sturm im Wasserglas. Die Polizei spricht von 1.200 Teilnehmern. Ein Blick auf die verloren wirkende Protestgruppe zeigt schnell, daß auch diese Zahl noch deutlich zu hoch gegriffen sein dürfte.

Unterdessen sind sich die Delegierten in einem weiteren Punkt einig: Nein zu einem deutschen Militäreinsatz in Syrien. Ein AfD-Mitglied bringt die Stimmung auf den Punkt. „Warum sollen meine Landsleute in Syrien kämpfen, während geflüchtete Syrier bei uns in Deutschland schön in Ruhe Kaffee trinken?“ fragt er. Es ist ein weiteres Thema, bei dem die AfD Geschlossenheit zeigen kann.