© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Jens Spahn. Der alerte Jungpolitiker erscheint immer wieder als Merkel-Kritiker. Zu Recht?
An Muttis Seite
Paul Rosen

Fünfunddreißig Jahre alt und in der vierten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag: Das muß jemand dem CDU-Politiker Jens Spahn erst einmal nachmachen. Sein Lebenslauf verrät allerdings die klassische Karriere des Berufspolitikers: Mit 15 trat er in die Junge Union ein, mit 19 war er bereits Kreisvorsitzender, und mit 22 Jahren wurde er erstmals für den NRW-Wahlkreis Borken-Steinfurt I in den Bundestag gewählt. Neben der Parteipolitik fand Spahn noch Zeit für eine Banklehre und ein Fernstudium der Politik- und Rechtswissenschaft. 

Im Bundestag wandte er sich als Vertreter der jungen Generation gegen „Wahlgeschenke an Rentner“ und die Rente mit 63. Die Wirrungen und Drehungen der politischen Führung vollzog Spahn stets nach: So wurde aus dem Anhänger der Kernenergie nach Fukushima ein Befürworter der Energiewende. Da er stets sein katholisches Bekenntnis hervorhob und aus einer ländlichen Gegend stammt, bekam er in Berlin schnell das Testat „konservativ“. Das trifft Spahn nicht richtig, auch wenn er als Vorsitzender des „Vereins der Freunde des Münsterlandes“ in der Hauptstadt für westfälische Folklore mit Kiepenkerl, Schinken, Schnaps und Schwarzbrot sorgt. 

Spahns andere Seite ist das schwarz-grüne Element, das er als maßgeblicher Mitgestalter der Pizza-Connection vorantreibt. Dort finden sich CDU- und Grünen-Abgeordnete zu regelmäßigen Gesprächen zusammen. Ziel ist eine schwarz-grüne Koalition – und Hindernisse für einen schwarz-grünen Koalitionsvertrag baut Spahn im Eiltempo ab. Als Homosexueller kämpft er in der sich noch widersetzenden CDU für die „Ehe für alle“.

In seinen Äußerungen kommt stets das Bemühen zum Ausdruck, leicht abseits der Parteilinie medienwirksam Position zu beziehen. Rechtzeitig zur Abstimmung ist er aber wieder in Reih und Glied zu sehen. So verhielt es sich bei der Euro- und Griechenland-Krise, so ist es jetzt angesichts der massenhaften Einwanderung nach Deutschland. Flugs publizierte Spahn ein Buch mit dem Titel „Ins Offene. Deutschland, Europa und die Flüchtlinge“. Der Sammelband enthält auch Beiträge zuwanderungskritischer Autoren, was den Anschein erweckte, Spahn setze sich von Kanzlerin Merkel ab (der er die Berufung zum Staatssekretär im Finanzministerium verdankt). Wer Spahns Zeilen genauer liest, stößt zwar auf den Vorwurf des Staatsversagens, wird aber keine Spur von „Merkelversagen“ finden. Auch in Berlin beißt man nicht die Hand, die einen füttert. 

Als CDU-Präsidiumsmitglied sitzt Spahn eng an „Muttis“ Seite. Am Ende der Karriere ist der „Harte aus dem Münsterland“ (Berliner Zeitung) aber noch lange nicht. Bei Spahns seismographischen Fähigkeiten wäre auch Merkels Sturz kein Karrierehindernis. Er wird rechtzeitig auf der richtigen Seite stehen.