© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Der Flaneur
Im Wachhaus ein Teddybär
Cassian Heidt

Der Blick auf das mattglänzende schwarze Fell erweckt in dem jungen Leutnant eine kurze Erinnerung an die ehrwürdigen Grenadier Guards vor dem Buckingham Palace. Seit über dreihundert Jahren halten sie der englischen Krone die Treue. Dann dämmert ihm, daß einer der abziehenden Soldaten wohl lediglich lustig sein wollte und einen Teddybär in das nun unbesetzte Wachhaus gesetzt hat.

In seiner hellbau strahlenden Matrosenuniform salutiert das Stofftier vor dem Vertriebenen ein letztes Mal. Wie passend für eine Zeit, in der nichts mehr ernst genommen wird. Ob sich so ein nicht enden wollender Scherz anfühlt? Lachen kann er über diesen Lauf der Dinge schon lange nicht mehr.

Die Sonne hat ihren matten Widerstand gegen das regenschwere Wolkenheer schnell eingestellt. Die Kraft für eine neue Offensive, sie kommt dies Jahr nicht mehr. Vielleicht ist sie desselben täglichen Kampfes auch einfach überdrüssig geworden. Herbstwinde umwehen den Leutnant und lenken seinen Blick zurück auf das alte Gemäuer der Kaserne. Als stummer Zeuge betrachtet es voller Gleichgültigkeit den Großen Austausch. Schon sein Vater hatte hier gedient. Wäre es erwünscht gewesen, dann wäre hier wohl so etwas wie eine Tradition entstanden. Nicht dreihundert Jahre, aber vielleicht dreißig.

Ein Oberst sagte ihm, dies sei treues Dienen. Der Zugführer nannte es schlicht Verrat.

Lautes Stimmengewirr reißt den jungen Mann jäh aus seinen verlorenen Gedanken. Die neuen Bewohner kündigen sich zur Wachablösung an. Ihre Legion strömt durch den mittlerweile schrankenlosen Eingang in das Gelände. Neugierig und in ausgelassener Stimmung beäugen sie das von ihnen in Anspruch genommene Territorium. Wortfetzen aus den unterschiedlichsten Sprachen dringen an sein Ohr. Für sie muß er ans andere Ende des Landes weichen. Ein Oberst sagte ihm feierlich, dies sei treues Dienen. Der Zugführer nannte es schlicht Verrat. Die Grenze dazwischen muß sehr dünn sein in diesem Land, denkt der Leutnant, bevor er sich grußlos von dem Stofftier abwendet.