© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

„A Firezangenbowl, please“
Exportschlager Weihnachtsmarkt: Deutsche Romantik im britischen Nebel
Bernd Rademacher

Durch die Budengassen klingt es „Alle Jahre wieder“; der Duft von Tannengrün, Glühwein und Lebkuchen hängt über adventlich geschmückten Bretterständen. Fett trieft aus dem Krustenbraten; eingemummelte Menschen schieben sich mit verzauberten Mienen durch das Gedränge. Keine Frage – wir sind auf einem typisch deutschen Weihnachtsmarkt. Doch etwas ist anders: Die Besucher sprechen englisch. Dieser „German Weihnachtsmarket“ steht in Birmingham.

Weihnachtsmärkte haben im britischen Inselreich keine Tradition. Dennoch lieben die Briten deutsche Weihnachtsbräuche und „German Gemutlichkeit“. Darum exportierte Birminghams Partnerstadt Frankfurt am Main 1997 seinen Weihnachtsmarkt in die englische Metropole. Nach sehr bescheidenen Anfängen wurde das Projekt ab dem Jahr 2000 professionalisiert. Zunächst beschwerten sich die Geschäftsinhaber des Einkaufszentrums „Bullring“, die deutschen Buden würden ihnen die Kundschaft abziehen und verlangten den Abzug der Punsch- & Printen-Invasion. Darauf erhielt Birminghams Bürgermeister Tausende von Protestbriefen, in denen das Volk den Erhalt seines „German Christmas-Market“ forderte.

Beliebt, weil man Bier in der Öffentlichkeit trinken kann

Seitdem ist der deutsche Weihnachtsmarkt eine Institution in der zweitgrößten Stadt Englands. Das Bestellen an den Verkaufsstellen verlangt den Briten etwas Übung ab: Die Angebotstafeln sind deutsch, und manchem gehen „Pfefferkuchen“ und „Feuerzangenbowle“ nicht ganz leicht über die Lippen. Doch viele sind schon geübt und können akzentfrei „Christstollen“ sagen. Besonders verwirrende Spezialitäten werden übersetzt, zum Beispiel die „hot roasted chestnuts“ (gebrannte Maronen).

Einwohner und Gäste der mittel­englischen Metallmetropole kaufen Nußknacker aus dem Erzgebirge und verspeisen Nürnberger Rostbratwurst. Doch seien wir ehrlich: Ein Großteil ist hier, weil man auf dem deutschen Weihnachtsmarkt ausnahmsweise Alkohol auf einem öffentlichen Platz trinken darf. Neben deutschem Brot ist nämlich deutsches Bier der Verkaufsschlager Number One.

Der Adventsmarkt kommt bestens an: Obwohl von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) etwas ungelenk mit „Birmingham, hello“ eröffnet, finden weit über eine Million Besucher von Wales bis Schottland ihren Weg zu den mehr als einhundert Ständen auf dem Victoria Square.

Das Konzept hat die Frankfurter Tourismusgesellschaft in der Hand. Sie vermietet die Stände. Die deutschen Betreiber schicken Personal und Waren über den Ärmelkanal. Das verursacht hohe Kosten, die sich auch auf die Verbraucherpreise niederschlagen. Ein Liter deutsches Bier ist hier in etwa so teuer wie auf dem Oktoberfest. Doch die Besucher schätzen die Authentizität: Sie wollen echte Deutsche beim Braten echter deutscher Bratwurst sehen – und keine Engländer, die so tun, als ob sie deutsch wären.

Der Weihnachtsmarkt ist das beste Pferd im Stall der Frankfurter Stadtverwaltung. Er sei eine „phantastische Marketingmaßnahme“, freut sich der Veranstalter. Doch neuerdings sind die Briten auf die Idee gekommen, in Eigenregie deutsche Weihnachtsmärkte zu importieren, zu günstigeren Konditionen als bei den Frankfurtern. Die Hessen sind mittlerweile nur noch in Birmingham und Leeds im Geschäft. Inzwischen haben nicht nur Briten Appetit auf gebrannte Mandeln und deutsche Romantik – auch in Birmingham/Atlanta feiern die US-Südstaatler „german Weihnachtsmarket“.

 www.global-christmas.com