© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Am Ende muß immer der Steuerzahler bluten
Börsenliteratur: Der Ökonom Janne Jörg Kipp schildert, wie ein Kartell aus Banken, Politikern und Konzernen die Bürger systematisch um ihre Ersparnisse bringt
Jörg Fischer

Ralph Bollmann lebte bei der taz 13 Jahre lang seine Verachtung gegen alles Nationale aus. Doch das Leben in Berlin ist teuer, und so wechselte er 2011 zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Wandeln mußte er sich dafür nicht – sein Buch „Die Deutsche: Angela Merkel und wir“ liest nicht der Kanzlerin, sondern dem steuerzahlenden Pack die Leviten. Doch die Blattauflagen sinken. Und was ist, wenn die FAS sparen muß?

Deshalb fährt der vom Experten für die Anfänge der Sozialdemokratie zum wirtschaftspolitischen Korrespondenten aufgestiegene 47jährige für das umstrittene Handelsabkommen TTIP schweres Geschütz auf: Die Abschottungsfreunde wollten „weder Syrer noch Chlorhühnchen in deutschen Landen sehen, ihnen geht es um ethnische Reinheit im Wohnblock wie im Supermarktregal“. Der Finanzexperte Janne Jörg Kipp ist nicht auf das künftige Wohlwollen von Konzernen, Politikern oder Entscheidern in der Medienbranche angewiesen – daher nimmt der Ökonom in seinem neuen Buch über „Die große Enteignung“ nicht nur die weltweite Verschuldung und das zugrundeliegende Geldsystem, die Fed, Goldman Sachs oder die Eurorettung, sondern auch TTIP aufs Korn.

Das Abkommen habe mit echtem Freihandel oder Zollfreiheit bestenfalls am Rande zu tun: TTIP sei ein Lobbykonstrukt zugunsten der multinationalen Konzerne, die sich so jeglicher Kontrolle entziehen wollten. Ein TTIP-Supergremium (Regulatory Cooperation Council) soll alle relevanten Gesetze darauf prüfen, ob sie den Konzernen ins Konzept passen. Investorenschiedsgerichtsverfahren eröffneten nicht nur Wirtschaftsanwälten eine neue Geldquelle zu Lasten der Steuerzahler. Auch die Finanzlobby werde frohlocken: „Schadenersatzklagen ließen sich in Wertpapiere verwandeln. Man könnte sie als Anleihen ausgeben, bei denen die Rückzahlung davon abhängt, wie hoch die Schadenersatzzahlungen ausfallen.“

Auch das Thema „Finanzielle Repression“ – die „heimliche“ Alternative zu Schuldenschnitt, Staatsbankrott und Währungsreform – nimmt bei Kipp breiten Raum ein. Er räumt mit der Mär auf, die Inflation in Deutschland habe seit der Euro-Einführung nie über 2,5 Prozent gelegen. Und er erläutert die gängigen Folterinstrumente ganz konkret: negative Realzinsen in Verbindung mit direkten Steuern und Sonderabgaben, Anlagevorschriften für Banken und Versicherungen zu Lasten privater Haushalte, Privatisierungen auf Kosten der Bürger, Zwangsabgaben auf Vermögen, Zwangsanleihen, Kapitalverkehrskontrollen, Gold- und Bargeldverbote.

Manche halten das für eine Verschwörungstheorie – doch die Finanz- oder Eurokrise oder die Enthüllungen von Edward Snowden wurden von den Meinungsmachern vor zehn Jahren auch ins Reich der Fabel verbannt. Und spätestens mit der aktuellen Asylkrise sollte jedem klar sein, daß der Staat im Zweifel auch vor Beschlagnahmungen und Zwangsbelegungen nicht zurückschreckt. Und ein „Refugees-Soli“ ist nur noch eine Frage der Zeit. Unternehmensschulden und private Schulden verdreifachen die gesamten Schulden Deutschlands: auf über 220 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes.

Die entscheidende Frage: „Wie retten Sie Ihr Vermögen?“ versucht Kipp im letzten Drittel seines Buches zu beantworten. Und wenig überraschend für einen Wirtschaftsexperten spielen in seiner „Smart-Money-Strategie“ Aktien eine zentrale Rolle. Von Renten- oder Kapitallebensversicherungen, geschlossenen Fonds oder Anleihen rät Kipp ausdrücklich ab. Auch „Betongold“ beurteilt Kipp kritisch, er empfiehlt lediglich selbstgenutzte Immobilien. Edelmetall gehöre hingegen in jedes Depot – und „pro Haushalt 9.000 bis 10.000 Euro Bargeldvermögen“.

Janne Jörg Kipp: Die große Enteignung. Kopp Verlag, Rottenburg 2015, 336 Seiten, gebunden, 22,95 Euro