© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Wettbewerber haften für ihre Konkurrenten
Finanzmarktregulierung: Die EU-Bankenunion und immer mehr Gesetze sorgen dafür, daß die Marktwirtschaft nicht mehr für Banken gilt
Wolfgang Philipp

Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken lehnen die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in der Eurozone ab. „Die Sparer haben hohes Vertrauen in die Sicherheit ihrer Einlagen“, erklärte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. „Transfers dieser Mittel in andere Länder lehnen wir daher ab“, so der frühere bayerische CSU-Finanzminister. „Es gilt, Fehlanreize in Europa zu vermeiden“, betonte Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).

In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich DSGV und BVR „entschieden“ dagegen aus, die nationalen Einlagensicherungen in einem European Deposit Insurance Scheme (EDIS) als dritten Pfeiler einer vollen Bankenunion zusammenzuführen. Ein solches europäisches Einlagensicherungssystem würde „grenzüberschreitende Haftungspflichten ohne adäquate Möglichkeiten einer (Risiko-)Kontrolle und einen weiteren Schritt auf dem Weg in eine ungesteuerte Transferunion bedeuten“.

Brüssel greift deutsche Sparer an

Doch der EDIS-Plan der EU-Kommission ist nur die Spitze des Regularien-Eisberges. Die deutschen Kreditinstitute galten in D-Mark-Zeiten als unabhängig und weitgehend sicher. Sie mußten sich in einem harten Wettbewerb behaupten, der auch für die Kunden günstige Rückwirkungen hatte. Dieses Bankensystem war wesentlicher Bestandteil einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Es hat weitgehend funktioniert – bis Großbanken es mit neuen, komplexen Finanzprodukten selbst in Frage stellten. Etwa den Asset Backed Securities (ABS), die noch 2006 von Peer Steinbrücks Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen – der 2012 ins EZB-Direktorium aufstieg und aktuell um die Vertragsfeinheiten seines KfW-Postens feilscht – in höchsten Tönen gelobt wurden. Ab 2007 gerieten jedoch viele Institute in Schieflage: die Commerzbank, die IKB, die HRE oder diverse Landesbanken. Sie mußten auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden.

Die Sparkassen und Volksbanken haben über ihre Verbände ein Sicherungssystem installiert. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) gründete 1976 – als Reaktion auf die Pleite der Herstatt-Bank 1974 – einen Einlagensicherungsfonds, der verhindern soll, daß die Kunden einer Privatbank im Insolvenzfall ihr Geld verlieren. Darüber haftet inzwischen jede Bank per Gesetz über sogenannte Fonds-Lösungen für jede andere Bank in Deutschland und zum Teil sogar in Europa mit. Die deutschen Banken gehören drei gesetzlichen Haftungsgemeinschaften an: Zuerst erging 1998 ein Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG). Es verpflichtet die Banken, regelmäßige Jahresbeiträge sowie „Sonderbeiträge“ und „Sonderzahlungen“ an ein Sondervermögen des Bundes als Entschädigungseinrichtung zu zahlen. Damit sollen Bankkunden, die wegen Insolvenz ihrer Bank Geld verlieren, mit bis zu 100.000 Euro entschädigt werden.

Das Restrukturierungsfondsgesetz von 2010 soll bedrohte Kreditinstitute vor der Insolvenz retten. Auch hierfür sind die Banken beitragspflichtig – im Falle eines Falles sollen so 70 Milliarden Euro und mehr bereitstehen. Im Rahmen der EU-Bankenunion wurde der „Bankenabwicklungsfonds“ initiiert, der binnen acht Jahren mit 55 Milliarden Euro aufgefüllt werden soll. Auf deutsche Banken entfallen Beiträge in Höhe von 15,4 Milliarden Euro – im Bundestag 2014 so abgesegnet.

Darüber hinaus will die EU noch eine gemeinsame Einlagensicherung durchsetzen – wogegen DSGV und BVR Widerstand leisten. Die EU will damit Risiken in erster Linie im Bankenbereich halten. Die Sache hat aber einen Haken: Jede Bank soll künftig für die Risiken ihrer Wettbewerber in Deutschland und ganz Europa mithaften. Aber besteht nicht der Sinn des Wettbewerbs gerade darin, besser zu sein als andere und diese gegebenenfalls sogar zu verdrängen? Was nützt die eigene Anstrengung, wenn der gute Banker den schlechten per Gemeinschaftshaftung retten muß? Und sind solche Haftungsrisiken überhaupt tragbar, wenn jede europäische Bank anteilig für die Risiken von 6.000 anderen Banken mit einstehen muß? Wie ist dieses Risiko zu bewerten und zu bilanzieren? Durch die hohe Beitragspflicht wird das Risiko schon realisiert – auch wenn gar kein Insolvenzfall vorliegt.

Die Beiträge zu den Fonds sind beträchtlich und müssen von den Banken erst einmal verdient werden. Das führt letztlich zu zusätzlichen Belastungen für die Kunden. Dazu kommen noch weitere Kosten, die den Banken durch das neue Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (JF 36/15) entstehen. In den 176 Paragraphen des SAG ist geregelt, daß die Banken die Kosten einer neuen Behörde, der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), zu tragen haben. Der FMSA sind kostenaufwendige Kontrollbefugnisse über die deutschen Banken übertragen worden.

Das SAG führt auch dazu, daß viele Bankkunden für die Schulden ihrer Hausbank haften können – ein gewaltiges Risiko, das den meisten Betroffenen kaum bewußt ist. Auswirkungen dürften sich auch auf die Bewertung von Bankaktien an der Börse ergeben. Diese Entwicklung der Bankenwelt ist eine fundamentale Systemveränderung, die mit einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung kaum vereinbar ist.






Dr. Wolfgang Philipp ist Wirtschaftsanwalt in Mannheim und Autor zahlreicher Fachartikel und Bücher. Sein jüngstes Buch „Rette sich, wer kann vor dieser Bankenrettung“ erschien 2015 im Gerhard Hess Verlag.

BVR-Video „Warum wir unsere Sicherungseinrichtung schützen wollen“: youtube.com