© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Investmentbanken bricht das Geschäft weg
Kein Grund zum Jubeln
Thomas Kirchner

Kapitalismuskritiker dürfen jubeln: den Investmentbanken bricht das Geschäft weg. Doch dabei wird übersehen: Das Gegenstück zu den Geschäftsbanken bleibt das Bindeglied zwischen Kapital und Unternehmen, zwischen Ersparnissen und Investitionen. Wenn es Investmentbanken schlecht geht, läßt dies nichts Gutes für die Zukunft der Wirtschaft ahnen.

Bezeichnend ist, daß die Rückgänge nicht alle Geschäftsfelder betreffen. Das klassische Beratungsgeschäft zu Übernahmen und Restrukturierungen boomt. Angesichts des weltweit eher schlaffen Wirtschaftswachstums haben die meisten Unternehmen aus dem operativen Geschäft bereits alles herausgekitzelt, was es zu optimieren gibt. Mehr operative Produktivität geht derzeit kaum noch. Also wird jetzt die Unternehmensstruktur weiter auf das Kerngeschäft fokussiert, sei es durch Zukäufe komplementärer Produktlinien oder Abspaltung marginaler Bereiche. Dementsprechend boomen das Beratungs- und Aktiengeschäft der Investmentbanken.

Sorgenkind ist das Anleihegeschäft. Der Finanzierungsbedarf ist angesichts der Geldschwemme gering. Außerdem streiken die Anleger bei Nullzinsen irgendwann – dieser Punkt könnte jetzt erreicht sein. Kürzlich hatte die Carlyle Group Schwierigkeiten, hochverzinsliche Anleihen in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar zur Übernahme des Datenspeichergeschäfts von Symantec zu emittieren. Selbst bei Renditen von bis zu zwölf Prozent fanden sich nicht genug Interessenten. Dies ist nur die neueste Episode im Anlegerstreik bei hochverzinslichen Anleihen.

Schon seit über einem Jahr jammern Anleger über mangelnde Liquidität in diesem Marktsegment. Konkret bedeutet dies: Wer verkaufen will, muß warten, bis sich ein langfristiger Anleger meldet. Früher waren es Investmentbanken, die Liquidität zur Verfügung stellten und Anleihen ins Inventar nahmen, bis sie einen Käufer finden konnten. Solch klassische Finanzintermediation gilt heutzutage als hochriskante Spekulation. Wegen im Namen angeblicher Stabilität stark gestiegener Kapitalanforderungen ist dieses Geschäft nicht mehr profitabel. Das Nachsehen haben die Anleger, die jetzt entweder mit Ramschpreisen Käufer anlocken müssen oder nicht mehr aus ihren Investitionen herauskommen.

Die Kapitalismusverächter werden bald sehen, wo es hinführt, wenn die Bürokratie wirtschaftliche Aktivität so sehr kompliziert, daß sie schlicht aufhört. In der Finanzbranche ist man schon dort angekommen. Der Immobilienmarkt steht kurz davor. Andere Branchen werden folgen. Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein behauptete einmal: „Wir erledigen die Arbeit Gottes.“ Ein bißchen hoch hat der Investmentbanker da schon gegriffen. „Wir helfen der unsichtbaren Hand des Marktes“ hätte gereicht. Doch selbst das verhindert inzwischen die Überregulierung. Ein schlechtes Omen für die Finanzbranche.