© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Frank Schäffler macht das Licht aus
Libertäre: Eine Tagung der Zeitschrift „Eigentümlich frei“ auf Usedom dokumentiert den Wechsel des radikalliberalen Lagers von der FDP zur AfD
Markus Schleusener

In der soeben ausgelieferten Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Eigentümlich frei (EF) findet sich auf Seite 22 die Kolumne von Frank Schäffler. Der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete und führende Eurokritiker seiner Partei setzt sich darin kritisch mit dem Rundfunkbeitrag auseinander. Es ist Schäfflers letzter Beitrag in dem radikalliberalen – oder besser: libertären – Magazin.

Der Grund für den überraschenden Rückzug Schäfflers findet sich weiter vorne im Heft, im Vorwort von André Lichtschlag. Der Chefredakteur führt aus, daß er nach dem Boykott gegen Akif Pirinçci durch den Buchhandel nun erst recht die Bücher des Romanautors vertreiben werde. Und das, obwohl Pirinçci bei Pegida eine „schreckliche Rede gehalten“ habe.

Schäffler hingegen teilt diese „Pseudotoleranz“, wie er sie nennt, gegenüber Pirinçci nicht. Er charakterisiert in einem Beitrag auf Roland Tichys Blog dessen Rede als rassistisch, fremdenfeindlich, vulgär und geschmacklos – und schreibt nebenbei, daß er seine Autorenschaft bei EF kündige: „Dafür möchte ich mich nicht weiter hergeben.“ Einige Libertäre mutmaßen, Schäffler habe so handeln müssen, um seine Kandidatur für den nächsten Bundestag nicht zu gefährden. FDP-Chef Christian Lindner würde jede Gelegenheit nutzen, die Partei von Rebellen wie Schäffler zu säubern. In diesem Zusammenhang sei auch der Abgrenzungsbeschluß der Partei zur islamkritischen Pegida-Bewegung zu verstehen, der als Mittel der innerparteilichen Disziplinierung zu werten sei.

Welche Gründe auch immer Schäffler zu seinem Rückzug bewogen haben: Diese Personalie ist ein Paukenschlag für die radikalliberale Szene in Deutschland. Schäffler und Eigentümlich frei, das waren jahrelang natürliche Verbündete im Kampf gegen den Zeitgeist.

Und das unmittelbar vor der dreitägigen EF-Konferenz auf Usedom. Dort führten Leser und Autoren am vergangenen Wochenende eine Richtungsdebatte. Sind Liberale rechts oder links? Konservativ oder fortschrittlich? Oder gar beides in einem? Während der Tagung wurde klar, daß sich das EF-Milieu längst gedanklich von der FDP getrennt hat und Schäffler somit nur einen Schlußstrich unter einer Entwicklung gezogen hat, die vor längerer Zeit ihren Anfang genommen hat.

Lichtschlag machte in seinem Eröffnungsvortrag klar, daß er von sich aus den nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag runderneuerten Liberalen nicht nachlaufen werde. Er geißelte den „Teletubbie-Liberalismus“ von Leuten, die sich als Liberale bezeichneten, aber meist „nicht die geringste Ahnung davon“ hätten. Den Vortragsrednern schenkte er alte Ayn-Rand-Tassen der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die er im Keller gefunden habe. Die amerikanische Autorin („Wer ist John Galt?“) gilt als eine der Vordenkerinnen der libertären Szene. Lichtschlag über die Tassen: „Damals verlegte die Stiftung noch Bücher von Ludwig von Mises.“

Die Abkoppelung der libertären Szene von der FDP spiegelte sich auch in der Redner- und Teilnehmerliste wider: Öfter als bei vergangenen Tagungen stellten sich Gäste als AfD-Mitglieder vor. Und zum Parteienpanel am ersten Konferenztag erschien kein offizieller Vertreter der FDP mehr – dafür aber Alice Weidel, Beisitzerin im AfD-Bundesvorstand und erklärte Freundin einer goldgedeckten Währung. Die anderen beiden Gäste hatten es schwer, gegen die AfD-Vertreterin anzukommen: Friedrich Dominicus von der Partei der Vernunft forderte die möglicherweise anwesenden Wähler der Altparteien mit hochrotem Kopf auf, endlich mal eine andere Partei zu wählen als CDU oder SPD. Und Thomas Jahn vom Konservativen Aufbruch in der CSU hatte die undankbare Aufgabe, die Politik des offenen Scheunentores zu erklären, für die die Konferenzteilnehmer die Unionsparteien verantwortlich machten.

Grenzen als Einschränkung der Bewegungsfreiheit?

Auch Lichtschlag ging in seiner Rede auf die Zuwanderungswelle ein. Er kritisierte den Sozialstaat („die asozialste Institution, die sich Menschen jemals ausgedacht haben“), der die falschen Anreize setze. Er fragte rhetorisch: „Warum wollen die Leute ausgerechnet nach Deutschland und Schweden kommen? Wegen Ikea oder wegen des schönen Wetters?“

In der Frage der Massenzuwanderung gab es auch abweichende Meinungen. So hielten Ulrich Wille und Stefan Blankertz Vorträge, aus deren Sicht Grenzen einen eher unzulässigen Eingriff in die Bewegungsfreiheit darstellen. Wille forderte Grenzen ebenso abzuschaffen wie den Wohlfahrtsstaat. 

Die meisten Redner und Teilnehmer folgten jedoch der Lichtschlag-Linie, also der moderaten Kritik am grenzenlosen Zuzug. Erich Weede etwa, der den Schlußvortrag hielt und Befürwortern der Massenzuwanderung vorwarf, sie wollten diese Entwicklung nur, um die Staatstätigkeit noch weiter ausdehnen zu können. Die neue Situation würde nur „Pöstchen für Gutmenschen, die Reglementierung der Wirtschaft und die weitere Einschränkung der Vertragsfreiheit“ schaffen. Oder Giselher Suhr. Der frühere ZDF-Journalist ging mit der Politischen Korrektheit hart ins Gericht und prangerte an, daß es keine „Asylkritiker“ mehr gäbe, sondern nur noch „Fremdenfeinde“. „Genauso gibt es nur noch Schutzsuchende statt Asylbewerber“, fügte er hinzu. Suhr ist neu im Autorenkreis und als Vortragsredner bei EF. Andererseits ist er AfD-Mitglied und steht damit für die neue Linie des Heftes.