© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Zeitschriftenkritik: Astrolog
Jeder besitzt einen psychologischen Schatten
Werner Olles

Die Astrologie (Sterndeutung) will aus den Konstellationen der Himmelskörper zukünftige Geschehnisse ablesen. Wissenschaftlich bewiesen ist zwar, daß Sonne und Mond auf manche Vorgänge auf der Erde und beim Menschen feststellbare Einflüsse haben, doch läßt sich daraus kein persönliches Schicksal vorausbestimmen. Die Psychologie (Seelenkunde) als Erforschung der seelischen Vorgänge und Erscheinungen, begründet im 19. Jahrhundert, unterscheidet im Gegensatz zum Psychologismus, der alles auf seelische Zustände zurückführt, Denkvorgänge und Denkinhalte. Erhebliche Bedeutung hat dabei auch die Psychometrie, in die Tests und statistische Methoden Eingang finden. Dagegen versucht die „Astrologische Psychologie“ eine Erklärung des Geschehens anhand von Planeten, Symbolen und Konstellationen. Am Beispiel der Anschläge vom 11. September 2001 in New York wird in der aktuellen Ausgabe (November 2015) von Astrolog, der „Zeitschrift für astrologische Psychologie“ untersucht, ob der Terrorangriff auf die USA Schicksal war und wie er hätte vermieden werden können. Zwar besitze Amerika einen „psychologischen Schatten“, wie jedes andere Land auch und jeder Mensch, doch könne eine Selbstanalyse eine Nation nicht vor dem Unerwarteten bewahren. Wer behaupte, daß terroristische Anschläge die unvermeidliche Folge des Versagens eines Landes seien, spreche Terroristen Fairneß und Gerechtigkeitssinn zu, die genau diese menschlichen Eigenschaften verabschiedet haben.

Interessant ist eine Radixanalyse zum 125. Todestag des niederländischen Malers und Zeichners Vincent van Gogh. Van Gogh wurde nur 37 Jahre alt, hinterließ 864 Gemälde und über 1.000 Zeichnungen, deren Mehrzahl in seinen letzten zehn Lebensjahren entstanden war. Doch schien sein Leben zunächst ein einziger Mißerfolg zu sein. Der Sonderling und Mystiker ging durch zahlreiche seelische Krisen und entwickelte eine religiöse Berufung, die in eine mystische Obsession eskalierte, in seiner Umwelt jedoch auf Befremden und Ablehnung stieß. Im Lauf der Zeit wurde er immer depressiver, lebte schließlich freiwillig in äußerster Armut, unverstanden von seiner Umwelt und seiner Familie. Unterstützung fand er nur in der Freundschaft zu seinem Bruder Theo. Während er zu Lebzeiten nur wenige Bilder verkaufte, erzielen seine Werke bei Auktionen heute Rekordpreise.

Wenig überzeugend ist ein Beitrag über die „große Göttin Lilith“. Der Autorin gilt sie als „ein archaisches Prinzip und ein Sinnbild für den Ruf einer wilden, inneren Natur“. Als „Ikone der Gleichberechtigung“ habe sie sich immer „furchtlos, stark, leidenschaftlich und unberechenbar“ verhalten. Tatsächlich ist Lilith (hebr. für Nachteule) sowohl im Alten Testament als auch im jüdischen Volksglauben ein weiblicher Nachtdämon, der besonders Säuglinge bedroht. Wie die Autorin darauf kommt, daß sich die „Lilith-Energie“ auch in den großen Flüchtlingsströmen, „die dazu aufrufen, ein neues Miteinander zu gestalten“, manifestiert, bleibt ihr Geheimnis. 

Kontakt: Harald Zittlau, Am Lindenbaum 17, 60433 Frankfurt/Main. Das Einzelheft kostet 7 Euro, ein Jahresabo 42 Euro. 

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