© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Die Dschihadisten geben den Ton an
Belgien: Drei der Attentäter von Paris stammen aus dem Königreich / Dies ist kein Zufall, denn Orte wie Molenbeek sind Brutstätten der Gotteskrieger
Mina Buts

Gleichzeitig den Kampf sowohl gegen muslimische Terroristen als auch gegen das Flüchtlingsproblem führen? Für Belgiens Innenminister Jan Jambon (N-VA) ein Ding der Unmöglichkeit. Er entschied sich für ersteres und erhöhte Anfang der Woche die Terrorwarnstufe.

 Erneut steht Belgien im Fokus der Weltpolitik, drei der Attentäter von Paris stammen aus dem Königreich. Gemessen an der Bevölkerungszahl besitzt das Land die höchste Zahl an gewaltbereiten Dschihadisten.

Der tiefe Graben zwischen Wallonien und Flandern, die sechs Parlamente, die drei Regionen und die drei offiziellen Landessprachen führen dazu, daß es weder bei der Polizei noch bei Sicherheitsbehörden, politischen Entscheidungsträgern oder auch sozialen Diensten einen Willen oder gar die Fähigkeit zur Zusammenarbeit gibt. So konnte sich Belgien ungehindert zu einem Eldorado für gewaltbereite und gewalttätige Moslemextremisten entwickeln. 

Opposition kritisiert lasche Einwanderungspolitik 

„Statt zu handeln, entschied sich die belgische politische Klasse, wegzuschauen“, kritisiert der Vorsitzende des oppositionellen Vlaams Belang, Tom Van Grieken, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Wie man es auch drehe und wende: Was sich heute in Brüssel abspiele, sei die „unübersehbare Folge einer laschen und unverantwortlichen Einwanderungspolitik“, so der 29jährige.

Im Visier der Ermittler steht der Brüsseler Stadtteil Molenbeek, der als „Dschihad-Hauptstadt Europas“ gilt. 40 Prozent der Bewohner sind Muslime, die Mehrheit ist arbeitslos. Die Hälfte der Jugendlichen besitzt keinen Schulabschluß. Obwohl die Radikalen unter ihnen nicht die Mehrheit stellen, geben sie doch den Ton an. „Das ist eine ethnische Enklave mit einer sehr geschlossenen Gemeinschaft. Frauen wird geraten, ein Kopftuch zu tragen und wer das nicht macht, wird eingeschüchtert“, so der niederländische Kriegsfotograf Teun Voeten. 

„Ich werde Molenbeek jetzt aufräumen“, kündigte der Innenminister an. Die Razzia zu Wochenbeginn war da ein spektakulärer Auftakt. Mit Hundertschaften und Spürhunden, sogar dem Kampfmittelräumdienst rückte die Polizei an. Doch das Ergebnis fiel eher mager aus, ein Flüchtender, der aber nicht zu den Verdächtigen gezählt wurde, stellte sich auf einem Hausdach, das war’s. Von Salah Abdeslam, der zu den Drahtziehern in Paris gehört und dessen Bruder sich in Paris in die Luft sprengte, keine Spur. Auch Abdelhamid Abbaoud, offenbar Kopf des Unternehmens in Paris und ebenfalls Molenbeeker, wurde nicht angetroffen. 

Fast gespentisch-prophetisch wirkt in diesem Zusammenhang das Interview mit dem niederländischen Terrorismusexperten Peter Knopp, das ausgerechnet zwei Tage vor den Attentaten im flämischen Nachrichtenmagazin Knack erschien. Die westliche Welt habe zuwenig über die von ihr ausgehende „Neokolonialisierung“ nachgedacht, die der Rest der Menschheit als „Erniedrigung“ auffasse, so Knopp. Zwar sei es nach den Anschlägen vom 11. September politisch unkorrekt gewesen, sich die Frage nach der Motivation von muslimischen Terroristen überhaupt zu stellen, aber: „Eine Gruppe von mehr als fünf Milliarden Menschen weist unsere Modernisierungsvorstellungen ab. Wir haben noch keine Vorstellung davon, was sich da anbahnt: die Wut, die Unzufriedenheit, die antiwestlichen Ressentiments.“