© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Stockholm zieht die Notbremse
Schweden: Um das Chaos bei der Massenzuwanderung wenigstens etwas zu lindern, kontrolliert das Land wieder seine Grenzen
Lukas Steinwandter

Dänemarks Ministerin für Ausländer und Integration Inger Støjberg hatte Stockholm gewarnt. Zurückgeschickte Flüchtlinge seien in Dänemark nicht erwünscht, erklärte sie der Jyllands-Posten. Überhaupt, so die liberale Venstre-Politikerin, sei Schweden in erster Linie mit seiner langjährigen „milden Einwanderungspolitik“ schuld am aktuellen Chaos im Land. 

Dennoch zog die rot-grüne Regierung in Stockholm nach Mahnung  der Migrationsbehörde die Notbremse. Seit Donnerstag vergangener Woche führt das Land wieder Grenzkontrollen durch. Der Plan der Regierung sah zuerst vor, die Grenzen zunächst zehn Tage lang zu kontrollieren. Zu Beginn dieser Woche erklärte Innenminister Anders Ygeman gegenüber dem Schwedischen Rundfunk, daß die Regierung eine Ausweitung auf weitere 20 bis 30 Tage plane. 

Damit soll den völlig überlasteten Migrationsbehörden etwas Luft verschafft werden. „Wir haben eine Situation, wo die Menschen gezwungen sind, vor unseren Büros in Zelten zu schlafen“, wird Mikael Hvinlund von der Migrationsbehörde von Radio Schweden zitiert. Seit September erreichten rund 80.000 Asylbewerber das Land. 

Wie sehen die Grenzkontrollen aus? An den verkehrsreichen Grenzpunkten wie der Öresundbrücke nehmen Polizeibeamte Strichprobenkontrollen vor. Die Brücke ist ein wichtiger Knotenpunkt, der Kopenhagen mit Malmö verbindet. Täglich passieren laut der dänischen Tageszeitung Nordschleswiger rund 17.000 Pendler die Querung. Gleich am ersten Tag nach Einführung der Kontrollen gelang es den Beamten, zwischen 500 und 600 Asylbewerber zu identifizieren. Nur 20 bis 30 davon hätten sich entschieden, wieder nach Dänemark zurückzukehren. Bei den Fähren sei es dagegen möglich, alle Passagiere zu kontrollieren, berichtet Radio Schweden (RS) unter Berufung auf die Polizei. Demnach wurden 22 Iraker, da sie keine gültigen Papiere besaßen und sich weigerten, in Schweden Asyl zu beantragen, wieder nach Dänemark zurückgeschickt. Auch in Rostock wurden laut Medienberichten mehrere Passagiere ohne Pässe daran gehindert, auf den Fähren nach Trelleborg zu fahren.

Die EU-Kommission billigte die zeitweise Wiedereinführung der Grenzkontrollen. Diese stünden im Einklang mit den Regeln des Schengenvertrages. Dagegen machte Minister Ygeman die Beendigung der Kontrollen laut RS davon abhängig, wie „gut die Außengrenze der EU funktionieren“ werde und ob andere EU-Länder mehr „Verantwortung“ für die Flüchtlingssituation übernähmen.