© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Warten auf den Durchbruch
Portugal: Die Linke jubelt über den Sturz der Mitte-Rechts-Regierung, ist aber noch nicht am Ziel
Lukas Noll

Heute wurde die Regierung des Volkes gestürzt!“ seufzte der Konservative Luís Montenegro am Ende nur noch. Portugals konservative Minderheitsregierung, die aus den Parlamentswahlen vom 4. Oktober hervorging, war am 10. November überraschend mit 123 zu 107 Stimmen von der linken Parlamentsmehrheit, bestehend aus der Sozialistischen Partido Socialista (PS) unter ihrem Generalsekretär António Costa, der grün-kommunistischen CDU und dem marxistischen Linksblock, gestürzt worden. 

Bereits bei der Vorstellung des neuen Regierungsprogramms gelang es der Opposition, die für einen strammen Sparkurs bekannte bürgerliche Regierung bestehend aus der liberalkonservativen Partido Social Democrata (PSD) und dem rechtskonservativen Centro Democrático e Social – Partido Popular (CDS-PP) per Mißtrauensvotum zu stürzen.

Staatspräsident Cavaco Silva will sich nicht beugen 

Ein Ende der Staatskrise zeichnet sich derzeit jedoch noch lange nicht ab. Portugals konservativer Staatspräsident Anibal Cavaco Silva macht nämlich wenig Anstalten, die Regierungsbildung dem Sozialistenführer António Costa anzuvertrauen. Schließlich hatte er seinen Parteifreund Pedro Passos Coelho als Spitzenkandidaten der stimmstärksten PSD erst am 22. Oktober mit der Regierungsbildung beauftragt. 

„Golpe“ – Putsch ist nun in aller Munde. Die einen kritisieren die Linke mit ihrem schnellen Mißtrauensvotum.Einen Putschisten nennen Cavacos linke Kritiker auch das 76jährige Staatsoberhaupt. „Der Präsident hat keine andere Alternative, als den Weg für eine sozialistische Regierung freizumachen“, verlautbarte etwa Carlos Carvalhas, Wortführer in der CDU. „Alles andere wäre ein Verfassungsputsch, mit dem der Präsident jedwede Legitimität verlieren würde.“

Noch deutlichere Worte findet der pensionierte Oberstleutnant Vasco Lourenço, Präsident der in der Tradition der Nelkenrevolution von 1974 stehenden „Associação 25 de Abril“. Der am Sturz von Salazars Ständestaat beteiligte Militär unterstellt dem Präsidenten, zu „enormer Instabilität“ beizutragen und als „schwarzer Mann des Chaos“ eine politische Normalisierung zu verhindern. Und nicht nur das: Portugals einflußreichster Soldat fordert offen ein Amtsenthebungserfahren gegen den Staatspräsidenten. 

Doch Cavaco befindet sich bereits im letzten Halbjahr seiner zweiten Amtszeit als Präsident – eine weitere Wiederwahl sieht die portugiesische Verfassung nicht vor. 

Aber gerade dieses halbe Jahr könnte Portugals Politik nun in beide Richtungen lähmen: Denn Portugals „Constituição“ regelt ebenfalls, daß zwischen Wahl und Neuwahl mindestens sechs Monate liegen müssen. 

Ein Ende der verfahrenen Situation würde sich damit mindestens bis zu den Präsidentschaftswahlen im Januar ziehen – vorausgesetzt, Cavaco folgt ein Mann des linken Lagers. Dann aber wäre es für eine bis dahin amtierende kommissarische Regierung von Passos’ Konservativen längst zu spät. Die Linksparteien hätten gute Chancen, sich als verhinderte Regierung der schweigenden Mehrheit zu inszenieren und kräftige Zuwächse zu verzeichnen. Kein Wunder also, daß es gerade die Rechtsparteien sind, die schnelle Neuwahlen nun auch per Verfassungsänderung durchsetzen wollen. „Wenn die linken Parteien nicht wie Putschisten oder Betrüger regieren wollen, sollten sie dabei helfen, Bedingungen für neue Wahlen zu schaffen“, fordert Passos aber wohl vergeblich. Denn von der dafür nötigen Zweidrittelmehrheit können seine PSD und die rechtskonservative Volkspartei nur träumen.

Börsen befinden sich im Sinkflug

Auf Portugal warten damit in jedem Falle politisch turbulente Zeiten – und vor allem auch heftige Umwälzungen, was die Wirtschafts- und Fiskalpolitik des Landes betrifft. Portugals plötzlich wieder im Sinkflug begriffene Börse scheint das schon jetzt durch erste Einbrüche zu orchestrieren. Zwar bestätigte die Rating-Agentur DBRS am Samstag noch Portugals im September aufgewertete Bonitätsnote. 

Doch eine Linksregierung dürfte für das Land vor allem Neuverschuldung bedeuten, nachdem Passos gerade noch verkünden durfte, die drei Prozent Haushaltsdefizit der EU-Konvergenzkriterien sogar unterboten zu haben. Die vorgenommenen Renten- und Gehaltskürzungen will der Sozialist Costa allerdings ebenso rückgängig machen wie einige schmerzhafte Steuererhöhungen im Namen der Austerität. 

Auch der Mindestlohn soll von derzeit 505 auf dann 600 Euro im Monat angehoben werden. Zwar betont Costa, die Verpflichtungen gegenüber dem Ausland zu respektieren und das Haushaltsdefizit im Auge zu behalten. Doch gerade unter dem Druck eines möglichen Tolerierungsmodells mit CDU und Linksblock müßte der Sozialist wohl zu mehr Konzessionen an die extreme Linke bereit sein, als ihm mitunter derzeit klar ist.