© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/15 / 13. November 2015

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Berichterstattung, drei Variationen über ein Thema. Libération (links): In Evry wurde eine junge Frau am 30. März 2014 durch vier junge Männer nachts überfallen, in einen Park verschleppt, zusammengeschlagen, mehrfach vergewaltigt und schließlich mit dem Tode bedroht. Die Täter waren minderjährig, die Polizei konnte sie unmittelbar nach der Tat fassen. Auf Befragen erklärten sie, daß sie dem Opfer lediglich das Mobiltelefon stehlen wollten. Der Anführer, bereits verurteilt, wurde zu dreißig Jahren Haft, die übrigen zu deutlich geringeren Strafen verurteilt. – Le Figaro (bürgerlich): In Evry wurde eine junge Frau am 30. März 2014 durch vier junge Männer nachts überfallen, ihr Mobiltelefon gestohlen und sie danach in einen Park verschleppt, zusammengeschlagen, mehrfach vergewaltigt und schließlich mit dem Tode bedroht. Die Täter waren minderjährig, die Polizei konnte sie unmittelbar nach der Tat fassen. Der Anführer, bereits verurteilt wegen Vergewaltigung eines dreizehnjährigen Jungen, wurde zu dreißig Jahren Haft, die übrigen zu deutlich geringeren Strafen verurteilt. – Valeurs actuelles (konservativ-rechts): In Evry wurde eine junge Frau am 30. März 2014 durch vier junge Männer nachts überfallen, in einen Park verschleppt, zusammengeschlagen, mehrfach vergewaltigt und schließlich mit dem Tode bedroht. Die Täter waren minderjährig, die Polizei konnte sie unmittelbar nach der Tat fassen. Es handelte sich um drei türkische Brüder und einen Marokkaner. Sie erklärten ausdrücklich, daß sie ihr Opfer ausgesucht hätten, weil es Französin war; an eine Türkin hätten sie nicht Hand gelegt, im übrigen seien „alle Franzosen Hurensöhne“. Der Anführer wurde zu dreißig Jahren Haft, die übrigen zu deutlich geringeren Strafen verurteilt. Die Härte der Strafen erklärte das Gericht auch unter Hinweis darauf, daß die Tat „rassistisch“ motiviert gewesen sei.

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„Zeit eilt, teilt, heilt“ (Spruch an einem westfälischen Bauernhaus)

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Die empfindliche Reaktion der Linken auf Angriffe ist an sich nicht neu. Neu ist allerdings die Mischung aus Ehrpusseligkeit und der Empörung darüber, daß man mit der „Nazikeule“ traktiert wird.

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In der Straße, irgendwo im Westen, kaum ein europäisches Gesicht, aber man weiß noch, wo man ist: in einem Fenster Reste dreier Aufkleber, von „Teekanne“, „Idee Kaffee“, „Schinkenhäger“.

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Die aktuellen Schwierigkeiten mit der Vertriebenenstiftung können nicht überraschen. Das ganze Projekt litt von Anfang an unter dem spezifisch konservativen Ansatz von Inklusion. In einer Mischung aus Unsicherheit und Schlauheit holte man sich so viele Gegner ins Boot, daß die, selbst wenn eine Machtübernahme scheitert, doch jeden brauchbaren Ansatz sabotieren können.

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Zu den originelleren Versuchen, sich einen Reim auf den rechten Aktivismus innerhalb wie außerhalb der AfD zu machen, gehört der Verweis auf die Konservative Revolution. Nur ist es eine Sache, Björn Höcke die Affinität zu den Gedankengängen Edgar Jungs nachzuweisen oder Jürgen Elsässer unter „Nationalbolschewismus“ zu rubrizieren; eine ganz andere, zu begreifen, daß nach dem Ersten Weltkrieg auf einen Liberalismus in embryonaler Gestalt reagiert wurde, während man ihn jetzt ausgewachsen vor sich hat. Das heißt auch, daß das, was die Denkmeister der KR vermuteten, sich in mehr als einer Hinsicht bewahrheitete, und es schon sehr merkwürdig zugehen müßte im Kampf der Ideen, wenn der liberale Siegeszug nicht irgendwann Gegner auf den Plan riefe, die nicht nur en detail, sondern en gros Vorbehalte anmelden.

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„Die politischen Programme dieser Parteien weisen durchaus Unterschiede auf, haben jedoch eines gemeinsam: Sie richten sich gegen die Eliten ihres jeweiligen Landes, die nach Meinung der Populisten durch Förderung von Einwanderung, eine zu starke europäische Integration, die Rettung angeschlagener Finanz-institutionen und Versäumnisse im Bereich innere Sicherheit und Verbrechensbekämpfung den Interessen der Mehrheitsgesellschaft zuwiderhandeln. Das Problem im Umgang mit solchen Kräften besteht darin, daß ihre Behauptungen zum Teil zutreffen: Tatsächlich handeln die Eliten in erster Linie eigennützig …“ (Francis Fukuyama)

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Der französische Philosoph und Publizist Alain de Benoist hat dazu aufgefordert, seinen muslimischen Freund Camel Bechikh zu unterstützen, der von verschiedenen Seiten angegriffen wird. Bechikh ist Gründer des Verbandes der „Fils de France“ („Söhne Frankreichs“), Verehrer des „ewigen Vaterlandes“, scharfer Kritiker der Einwanderung, kein Befürworter irgendeines wolkigen Euro-Islam, sondern Anhänger eines französischen Patriotismus, der weitherzig genug ist für eine islamische neben der christlichen Identität.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 27. November in der JF-Ausgabe 49/15.