© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/15 / 13. November 2015

Absturz eines russischen Flugzeugs über dem Sinai
Der Preis der Macht
Thomas Fasbender

Auch der russische Präsident akzeptiert inzwischen, daß alle Indizien des Airbus-Absturzes über dem Sinai auf einen Terroranschlag hindeuten. Das Unbehagen im Kreml ist nachvollziehbar. Niemand möchte die 224 Toten als Opfer der russischen Militäraktion in Syrien verstehen. Doch es hätte auch Franzosen oder Amerikaner treffen können; beide Nationen werfen Bomben auf den IS. Was die Russen sich vorwerfen müssen, sind hingegen die laschen Kontrollen am Flughafen in Sharm el-Sheikh. 

Doch auch das wird die eigene Bevölkerung nicht erschüttern. Sie weiß: Wer eine Macht sein will auf dieser Erde, muß Opfer bringen. Inzwischen erkennt selbst der sprichwörtliche kleine Mann auf der Straße, daß der Militäreinsatz in Syrien für Respekt bei den westlichen Rivalen sorgt. Schließlich gilt im 21. Jahrhundert wie zuvor: Die Demonstration militärischer Stärke hilft, politische Augenhöhe sicherzustellen. Nicht umsonst genießt das Syrien-Engagement eine Zustimmungsrate im russischen Volk, die mit dem Krim-Anschluß vergleichbar ist. 

Wenn es dem Kreml jetzt noch gelingt, eine Lösung für den lästigen Donbass-Konflikt zu finden, hat Rußland binnen weniger Jahre einen Quantensprung vollbracht: vom fünften Rad am westlichen Wagen zur eigenständigen eurasischen Macht.