© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/15 / 13. November 2015

Most sorgt für die große Überraschung
Kroatien: Die Parlamentswahlen brachten keinen eindeutigen Wahlsieger / Liberale Bürgerliste in der Rolle des Königsmachers
Carl Gustaf Ströhm

Im Hauptquartier der konservativen Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) knallten Sonntag abend die Sektkorken. Mit traditionellen kroatischen Liedern hießen die Parteimitglieder ihren Spitzenkandidaten willkommen. Doch so richtig in Feierstimmung zeigte sich Tomislav Karamarko nicht. Lediglich ein Lächeln kam über seine Lippen. Denn der erhoffte Erdrutschsieg blieb aus. Nur die kroatische Diaspora sorgte für Freude – hatte sie doch zu 85 Prozent die von der HDZ geführte „Patriotische Koalition“ gewählt. 

Zwar konnte diese mit 59 Sitzen die regierenden Sozialdemokraten (SDP)  mit ihrer Mitte-links-Koalition „Kroatien wächst“ (56 Sitze) in die Schranken weisen. Doch mit dem Erfolg der „Brücke der unabhängigen Listen“ (Most), einer Koalition aus liberalen Bürgerlisten, hatte kaum einer gerechnet. Mit ihren 19 von 151 Sitzen im Parlament wird sie bei der Regierungsbildung ein gewichtiges Wort mitsprechen. Am Wahlabend hielt sich Most-Chef Bozo Petrov, der bis dato jede Koalition abgelehnt hat und höchstens eine Minderheitsregierung tolerieren will, noch bedeckt: Most gebe nur der Koalition den Zuspruch, die sich bereit zeige, „echte Reformen einzuführen“. 

Entsprechend bemüht zeigte sich dann auch der Spitzenkandidat der SDP Zoran Milanovic: „Es gibt kein Zurück zum Alten. Wir wollen die gemeinsamen Reformen mit Most zusammen bewältigen.“ Ähnlich flexibel zeigte sich Karamarko. Er ließ keine Zweifel daran aufkommen, daß der Wahlsieg seine Partei in die Lage versetze, das Land künftig zu führen. Überhaupt habe Most mehr Gemeinsamkeiten mit der HDZ als mit der SDP, wenn es um Reformen im Land ginge.  

Als weitere Stütze der HDZ-Koalition fällt allerdings die patriotische regionale Partei aus Slawonien und der Baranja (HDSSB) weg. Sie verlor fünf Mandate und stellt nun mit zwei Sitzen keine Hilfe für die HDZ mehr dar. Dennoch zeigt sich Karamarko mit Blick auf die restlichen Kleinparteien mit ihren 15 Sitzen optimistisch: „Wir sind bereit, mit allen zusammenzuarbeiten. Wir stehen für Kroatien. Wir müssen das Land wieder so attraktiv machen, daß die Jugend im eigenen Land bleiben möchte.“