© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Lügen von der Green Economy
Klage über Kapitalismus im grünen Gewand
Heiko Urbanzyk

Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren“, möchte Kathrin Hartmann ihren Lesern laut Untertitel erklären. Der Feind ist anvisiert: das Kapital und seine Diener in der Politik. Zu retten gilt es das Klima und die Natur. Der Retter ist die „Zivilgesellschaft“. Letztere fühlt sich im Moment aber gar nicht in Rettungslaune, sondern in bester Konsumstimmung, und das nervt die frühere Redakteurin der Frankfurter Rundschau. 

Die „Green Economy“ verspricht nämlich, daß wir die Ressourcen dieser Erde weiter so verbrauchen können wie bisher und dabei sogar Gutes tun. Allein auf intelligente technische Lösungen komme es an, betonen Realo-Grüne wie der frühere Bremer Bürgermeister Ralf Fücks oder die Protagonisten des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Bei letzterem, ätzt Hartmann, mische „die deutsche Industrie von A bis Z“ mit, wie Allianz, BMW, Coca Cola, Henkel, Unilever oder die Zehnder Group. 

In der Tat wirkt es surreal, daß diese Unternehmen seit einigen Jahren ihren Weltretter-Sinn entdeckt haben wollen und plötzlich von Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Armutsbekämpfung in der Dritten Welt sprechen. Dabei werde genau das Gegenteil praktiziert, allen Beteiligten gehe es um ständiges Wachstum. 

„Green Economy“? Für Hartmann, die in vergangenen Büchern auch mit „Lifestyle-Ökos“ abrechnete, ist das nur Kapitalismus im grünen Gewand. Was der fortgesetzte Konsumdrang der ersten Welt den Produktionsländern antue, schaute sie sich auf Recherchereisen in Indonesien, El Salvador und Bangladesch an. Die Schilderungen vom Krieg der dortigen Industrie und Politik gegen die eigene Bevölkerung, um Ländereien in Plantagen umwandeln zu können, sind erschütternd. Eine Patentlösung hat Kathrin Hartmann nicht parat. Das Recht auf Systemkritik möchte sie sich dennoch nicht nehmen lassen. Weiteres Wirtschaftswachstum, schreibt sie, sei jedenfalls keine Lösung, da es Armut und Naturzerstörung offensichtlich erst erzeuge. Dabei dürfte einzig Hartmanns Schwelgen in sozialistischer Erweckungslehre konservativen Lesern die Nackenhaare zu Berge stehen lassen. 

Kathrin Hartmann: Aus kontrolliertem Raubbau. Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren. Blessing Verlag, München 2015, broschiert, 448 Seiten, 18,99 Euro