© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Zur Freiheit, zur Sonne
Die streitbare Autorin Tanja Krienen dokumentiert in einem Essayband ihren langen Marsch zum Antitotalitarismus
Marc Zoellner

Tanja Krienen ist mehr als nur ein Name. Ihre nonkonformen Wortmeldungen sichern ihr über das eigene Milieu hinaus Aufmerksamkeit. Seit den frühen achtziger Jahren bemüht die Autorin redlich ihre Schreibfeder, beliefert im Akkord die Redaktionen der deutschen Medienlandschaft; angefangen bei der linksalternativen taz über libertäre Magazine wie Eigentümlich frei bis hin zum konservativen Preußischen Anzeiger.

Die Wahl der Themen glich dabei seit je dem wechselvollen Kurs ihrer eigenen Vita. Als Punk trat sie in Jugendjahren erstmalig öffentlich in Erscheinung, als Anarcho-Trotzkistin, welche die aufkommende Neue Deutsche Welle gegen Faschismusvorwürfe ihrer eigenen Genossen verteidigte. Nach fünfjähriger Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei verließ sie diese aufgrund deren Verherrlichung der inneren Zustände der DDR-Diktatur, ohne mit der sozialistischen Ideologie zu fremdeln, das sollte erst später einsetzen.

Tiefe Abneigung totalitärer Denkweisen

Wolf Biermann stand ihr nach seiner DDR-Ausbürgerung nahe; der Vertriebene, der wie sie scheinbar keine politische Heimat finden konnte. Seine erzwungene Emigration war fortan Bestandteil unzähliger von Krienens Kolumnen, seine Behandlung durch das DDR-Regime Titel einer bei Ullstein publizierten Essaysammlung, zu welcher auch Krienen Texte beitrug. Eine Wechselbeziehung zu beidseitigem Vorteil: Denn neben linken und liberalen Koryphäen wie Sahra Wagenknecht, Bettina Röhl und Henryk M. Broder waren es auch Biermanns Beiträge, die Krienens Zeitschrift Campo de Criptana – benannt nach jenem mittelspanischen Dörfchen, vor dessen Toren der tragische Held Don Quijote sich zum Kampf gegen die Windmühlen anschickte – zu Rang und Namen verhalf.

Mit „Fackeln in der Dämmerung“ beliefert der frisch gegründete Romowe-Verlag, ein Derivat des Preußischen Anzeigers, seine Leser nun, zwischen Buchdeckel gepreßt, mit einer umfassenden Sammlung von Krienens in den letzten vier Jahrzehnten verfaßten Essays, Kolumnen und Kommentaren, ihrer Aphorismen und Gedichte. Im Rückblick gelesen, stellen Krienens Aufsätze dabei mehr als nur einen flüchtigen Streifzug durch die Geschichte der Bonner und Berliner Republik dar. Sie gewähren auch tiefe Einblicke in ihr eigenes Leben: ihren biographischen Bruch mit Kommunisten, der CDU, den Konservativen – und schließlich 2013 der AfD, ihre Abneigung totalitärer Denkweisen, ihren Patriotismus jenseits schwarzweißer Strukturen sowie die Liebe zu Kunst, Kultur und Literatur.

Krienens oftmals überschwengliche Polemik muß man dabei nicht unbedingt mögen. „Wenn einer mir sagt: Ich komme mit jedem gut aus“, gesteht sie gern selbst ein, „so läge mir schon sehr daran, ihm das Gegenteil zu beweisen.“ Das meint sie durchaus ernst. Doch gerade dadurch hebt Krienen sich lesenswert von der grauen Masse deutscher Publizisten ab.

Tanja Krienen: Fackeln in der Dämmerung. Texte aus vier Jahrzehnten. Romowe-Verlag, Bleckede 2015, gebunden, 376 Seiten, 20,95 Euro