© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Lügenpressefreiheitsindex
Auch wenn ihr Ansehen schwindet, so ist die deutsche Presse ziemlich frei und ihr Glaubwürdigkeitsproblem hausgemacht
Ronald Gläser

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Stern hat ergeben, daß 44 Prozent der Befragten folgender Aussage mehr oder weniger zustimmen: „Die von oben gesteuerten Medien verbreiten nur geschönte und unzutreffende Meinungen.“ Diese Umfrage korelliert mit einer Umfrage des John-Stuart-Mill-Instituts. Das hatte im Oktober festgestellt, daß so viele Deutsche wie nie zuvor einen Mangel an Meinungsfreiheit beklagen.

Aber ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland wirklich eingeschränkt? Untersuchungen, die Einschränkungen der Pressefreiheit unter die Lupe nehmen, kommen regelmäßig zu einem anderen Ergebnis. 

Das liberale Luxemburger Forschungsinsitut IREF (Institute for Research in Economic and Financial Issues) hat die wichtigsten Indizes zur Pressefreiheit verglichen und stellt zusammenfassend fest, daß es sehr gut um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt sei. Nur acht Länder schnitten in den Ranglisten besser ab als Deutschland, darunter die skandinavischen Staaten, Irland, die Niederlande und Estland. Fazit von Alexander Fink, dem Autor der Studie: „Es mangelt nicht an Pressefreiheit in Deutschland.“

In der Tat: Eingriffe des Staates gegen Journalisten sind selten. Fälle wie die Razzia beim Cicero (2005) oder die Ermittlungen gegen netzpolitik.org (2015) lösten kleinere Polit-Erdbeben aus. Es gibt auch keine spektakuläre Verfolgung von Whistleblowern wie in den westlichen Musterdemokratien England und USA. Fink unterstreicht daher, daß eine allgemeine Unzufriedenheit von Medienkonsumenten mit dem existierenden Angebot kein Hinweis auf eine unfreie Presse sei. Vielmehr fehle es offenbar an anderen Anbietern. 

„Die Abwesenheit eines Anbieters, der bereit ist, die Nachfrage eines Konsumenten zu befriedigen, läßt nicht den Schluß zu, der Markteintritt von entsprechenden Anbietern werde verhindert“, so Fink. So gesehen besteht kein Nachholbedarf an Pressefreiheit, sondern an neuen Zeitungen und Sendern. Im großen Stil.

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