© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Blick in die Medien
Mir doch Wurst
Tobias Dahlbrügge

Die eher dekorative Weltgesundheitsorganisation gab eine Pressemeldung heraus, in der die „Einschätzung“ einer „Internationalen Krebsforschungsagentur“ wiedergegeben wurde. Inhalt: Wurst ist „wahrscheinlich“ krebserregend. Die Forscher wollen herausgefunden haben, daß „schon 50 Gramm Wurst am Tag das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent erhöhen“.

Eine typische Sack-Reis-Meldung. Insbesondere angesichts der wohl dringlicheren Probleme durch die Tsunamigration. Doch wundersamerweise überschlugen sich die deutschen Medien bis zum letzten Regionalblatt, um den Nonsens zu verbreiten. Die Tagesschau alarmierte: „Wie gefährlich ist die Wurst?“ Die Zeit fragte bang: „Rauchen kann töten. Wurstessen auch?“ Der Spiegel ahnt Düsteres: „Wurst als Krebsauslöser?“ Und das Pseudowissenschaftsmagazin Galileo wußte schon Genaueres: „Diese Fleischsorten machen Krebs...“

„Wenn Wurst das neue Rauchen ist, stehen Kids dann auf dem Schullhof in der Wurstecke?“ 

Doch den Lesern ist die groteske Panikmache völlig Wurst. Sogar der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann kommentiert lakonisch: „Wenn man einen Sack Kartoffeln ißt, ist man auch tot.“ Reflexartig überschüttete die Netzgemeinde die Antiwurstkampagne in den sozialen Medien mit Hohn und Spott. Nur Stunden nach den ersten Wurst-Warnungen kursierten schon etliche Wurst-Witze im Netz: „Wenn Wurst das neue Rauchen ist, stehen die coolen Kids dann bald auf dem Schulhof in der Wurstecke?“ „Steht die Bifi jetzt am Kiosk bei den Zigaretten?“ Schon wird scherzhaft vor „Passivwurstessen“ gewarnt und gefragt, ob sich Süchtige durch Wurstpflaster vom Wurst-Laster entwöhnen können. Einen Namen hat die ganze Anekdote auch schon: Wurst-Gate.

Humor ist jedenfalls garantiert gesund, und die Leser haben mal wieder gezeigt, daß sie schlauer sind als die angeblichen Qualitätsmedien. Diese haben inzwischen auch gemerkt, daß der Schuß nach hinten losging und berichten jetzt launig über die Jux-Reaktionen auf ihr eigenes aufgeregtes Krebs-Gegacker.