© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Je höher das Stockwerk
Geschossene Tiere behagen dem Stadtmenschen nicht, aber Biofleisch möchte man gern
Bernd Rademacher

Am 3. November ist der Gedenktag des heiligen Hubertus von Lüttich, dem Schutzpatron der Jäger. In Anspielung auf die vorangehenden Kirchenfeiertage Allerheiligen und Allerseelen nennen die Grünröcke den Hubertustag scherzhaft „Allerhasen“.

Zu Ehren des Bischofs von Lüttich, der im Jahr 727 starb, feiern die Jägerschaften im ganzen Land ökumenische Gottesdienste im herbstlichen Wald. Die improvisierten Altäre sind mit Tannengrün und Eichenlaub geschmückt; die Waidmänner treten im Halbkreis zum Jagdhornblasen an.

Die Jagd zieht vermehrt auch Frauen an

Doch in diesem Jahr werden wohl einige Molltöne erklingen. Dabei ist es nicht so, daß das Interesse am Waidwerk einschlafen würde. Nachwuchssorgen haben die Kreisjägerschaften nicht. Im Gegenteil: Der Anteil junger Leute wächst, Jagdschulen schießen wie Pilze aus dem Boden, und auch der Frauenanteil steigt seit Jahren, wie das Fachmagazin Wild und Hund sowie andere Jagdmagazine berichten.

Doch die Jagd gerät zunehmend unter Druck. Das Waidwerk steht im Spannungsfeld von expansiver Landwirtschaft, Kritik einer naturfernen Stadtgesellschaft und ideologiegetriebener Politik.

Die Landwirte bewirtschaften immer größere Flächen mit immer größeren Maschinen. Der Rückzugsraum für das Wild schrumpft; Kreiselmäher bringen den Tod. Mais-Monokulturen bieten den Tieren kein Habitat. Das erschwert es dem Jäger, das Wild zu hegen.

Paradox: Gerade Stadtmenschen wollen Erzeugnisse von „glücklichen“ Tieren, die möglichst naturnah leben. Mehr „bio“ als Wildfleisch geht nicht, trotzdem gilt der Jäger als böser „Bambimörder“. Je höher das Stockwerk, in dem die Leute wohnen, desto romantisierter ihre Vorstellung von der Wildnis.

Das gilt speziell für urbane Ausflügler, die sich selten an Hinweise halten, auf den Spazierwegen zu bleiben und Hunde an der Leine zu halten. Der Zustrom der Einwanderer verschärft das Problem der Beunruhigung des Wildes: Daß Jäger auf Hochsitzen Asylbewerber antreffen, die dort wegen des besseren Handyempfangs campieren, wie im österreichischen Mühlviertel geschehen, gehört dann noch zu den kurioseren Aspekten des Problems.

Und auch die Politik wirft weiter Knüppel: Jäger verbinden modernes Öko-Management mit traditionellem Brauchtum – das riecht für Linksgrüne schon mal prinzipiell verdächtig. Darum haben mehrere Bundesländer Jagdgesetznovellen erlassen, die den Jägern Steine in den Weg legen.

Ein Beispiel ist das Verbot, verwilderte Katzen zu schießen. Das Problem: Auf den meisten Bauernhöfen leben Katzen. Da viele Landwirte die Katzen aus Kostengründen oder Desinteresse nicht sterilisieren lassen, vermehren sich diese ungehindert. Der Nachwuchs wandert oftmals ab und verwildert. Diese fressen beileibe nicht nur Mäuse, sondern auch massenhaft Singvögel und sogar Junghasen. Das Jagdverbot für diese Prädatoren stellt die Waidleute vor Probleme.

Ein Jäger aus dem münsterländischen Ascheberg fand darauf eine sehr pragmatische Antwort: Er brachte eine gefangene verwilderte Katze kurzerhand zum örtlichen Fundbüro. Da die Mitarbeiter die Annahme verweigerten, klagte er vor dem Münsteraner Verwaltungsgericht. Die Richter urteilten: Fundbüros müssen grundsätzlich Katzen annehmen. Die Jägerschaft dürfte über das Urteil herzlich gelacht haben.