© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Zeitschriftenkritik: Gnostika
Der Mensch ist zweitrangig
Werner Olles

Als geheimes Heilwissen mystischer Spekulationen beeinflußte der Gnostizismus sowohl die zoroastrischen wie auch die jüdischen und indirekt die christlichen Vorstellungen, indem er dem guten Gott ein böses Prinzip gegenüberstellte. Dieser Dualismus lehrte, die Materie sei böse und die Erlösung erfolge durch religiöses Geheimwissen. In den Katharern, den Albigensern, der Theosophie und der Antroposophie lebte er immer wieder auf. Für den Gnostizismus ist der Mensch zweitrangig, vielmehr geht es darum, die erdrückende Größe des Universums zu zeigen. Der Antrophozentrismus moderner Selbstverwirklichungsexzesse ist ihm fremd. Wie bei Julius Evola geht es um den Kampf zwischen Ordnung und Chaos als ewigem Ringen von Tradition und Gegentradition. Dem Homo sapiens als Mittelpunkt der Schöpfung stellt er ein spirituelles Zentrum gegenüber, das René Guénon Agartha nannte. Wie andere Formen des Okkultismus oder Mystizismus ist der Gnostizismus von Träumen und Visionen bestimmt, was C.G. Jung das „kollektive Unbewußte“ nannte. Ob es sich um Initiationswege handelt, die ins Unterbewußtsein gefunden haben, oder um den geistigen Kosmos einer esoterischen Denkform mit ritueller Verbrämung, muß jeder für sich selbst entscheiden. 

Gnostika, die zweimal jährlich erscheinende „Zeitschrift für Symbolsysteme“, versucht jener Seite des assoziativen Denkens Raum zu geben, die sich nicht dem pseudoesoterischen Markt anbiedert, sondern an großen Traditionen orientiert. Dazu gehören Strömungen wie Okkultismus, Spiritismus und Theosophie, die in ihrer Bedeutung für die Religionsgeschichte lange ignoriert wurden. Antimaterialistische Strömungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts werden genauso untersucht und besprochen wie der Wiederverkörperungsglaube in religiösen Sondergemeinschaften oder die Geschichte der Rosenkreuzer. Die Themen sind teils heftig umstritten, teils in Vergessenheit geraten, aber des Nachdenkens wert. Die Ost-West-Verflechtungen vergleichender Religionswissenschaft, Ritualforschung und Jungsche Psychoanalytik stellen die Bezüge zwischen Religion und Esoterik her und führen sie aus dem mysteriösen Halbdunkel heraus.

Hans Thomas Hakl, einer der Herausgeber von Gnostika, beschreibt in seinem Beitrag „Der magische Orden der Fraternitas Saturni“ die Organisation dieser Loge, bei der es sich nach eigener Darstellung um eine „Wissensloge in okkult-esoterischer Richtung“ handelt. Ihre Lehren sind gnostische, auf eine „göttliche“ Erkenntnis ausgerichtet, jedoch nicht im empirischen, wissenschaftlichen Sinn zu verstehen, sondern als „erkennende Schau“. Als pansophische Gesellschaft wird ihr Lehrgut mit einer großen Klammer zusammengehalten: der „Mythologie“ des Saturn, die auf astrologischen Lehren und der Glacial-Kosmogonie Hanns Hörbigers basiert, bei der Feuer und Eis aufeinandertreffen, Monde auf die Planeten niederstürzen und der Kosmos im dauernden Kampf der Gegensätze steht.

Kontakt: H. Frietsch Verlag, Otto-Hirt-Str. 13, 76571 Gaggenau. Fax: 0 72 25 / 91 95 99. Das Einzelheft kostet 20 Euro. 

 www.aagw-gnostika.de