© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Grüße aus Madrid
Vorsicht! Fahrschüler!
Michael Ludwig

Gustavo zeigte sich entsetzt: „Als ich dem Prüfling mitgeteilt hatte, daß er wegen eines gravierenden Fehlers die Führerscheinprüfung nicht bestanden habe, flippte er völlig aus. Er ließ die hintere Seitenscheibe, dort, wo ich saß, herunter, stieg aus dem Wagen, ging um ihn herum und schlug mit den Fäusten auf mich ein. Dann lief er weg“, erklärte der Fahrprüfer und kam nicht zur Ruhe: „Ich dachte jedenfalls, daß er das Weite suchte, aber ich hatte mich getäuscht. Er bückte sich, hob einen großen Stein vom Boden auf und schleuderte ihn direkt auf mich. Nachdem er mich nicht getroffen hatte, hob er einen zweiten Stein auf und kam auf mich zu. Es war wie in einem Horrorfilm. Nur mit Mühe konnte ich entkommen.“

Gustavo ist leider kein Einzelfall in Spanien, wie ihm ist es schon vielen seiner Kollegen ergangen.  Einem in Toledo zum Beispiel. Gegenüber der Tageszeitung La Razón berichtet er: „Einige Minuten nachdem ich dem jungen Burschen gesagt hatte, daß er leider durchgefallen sei, kam seine Mutter und versetzte mir zwei schallende Ohrfeigen. Ich wußte nicht, wie mir geschah.“ 

Es sind nicht nur die jungen, gewaltbereiten Halbstarken, die ihrem Frust freien Lauf lassen.

Auf der Iberischen Halbinsel sind derlei Übergriffe nicht selten – im günstigsten Fall prasselt eine wüste  Schimpfkanonade auf den Führerscheinprüfer herunter, wenn sich der Prüfling ungerecht behandelt fühlt. In den schlimmeren Fällen kommt es zu Tätlichkeiten. 

Doch sind es nicht nur die jungen, gewaltbereiten Halbstarken, die ihrem Frust mit Fäusten und wüsten Beleidigungen freien Lauf lassen, sondern auch Geschäftsleute in eleganten Business-Anzügen. „Die sind sich nicht zu schade, Wörter wie Scheißkerl oder Hurensohn zu gebrauchen“, schreibt La Razón.

Nun ist es der „Asociación de Examinadores de Tráfico“ (Asextra), dem Verband der spanischen Fahrprüfer, zu bunt geworden. Er rief seine rund 700 Mitglieder zu einem einmonatigen Streik auf. Etwa 45.000 Fahrprüfungen fallen nun ins Wasser. Der Verband fordert, die Ergebnisse der praktischen Prüfung, so wie es bei der theoretischen schon seit langem praktiziert wird, erst ein paar Tage später mitzuteilen. Nämlich dann, wenn die Prüfer in Sicherheit sind. Außerdem beklagt er die Gerichtsurteile, die in solchen Fällen viel zu milde seien. 

Im Fall der beiden Ohrfeigen waren es sechs Monate Gefängnis, für deutsche Verhältnisse eine geradezu drakonische Strafe.