© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Der Islam wechselt seine Farbe
Asylkrise II: Angesichts des Zustroms von arabischen Moslems nach Deutschland hat die Diskussion über die Auswirkung auf die Religion begonnen
Lion Edler

Wenn es um Einwanderung geht, gilt Aiman Mazyek nicht gerade als harter Knochen. Doch im Zuge der Asylwelle wird sogar der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime besorgt. „Wir müssen ganz klar hier Regeln aufstellen“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. „Jene, die meinen, hier in Deutschland ihre Konflikte auszutragen, die haben sofort ihr Recht, hier zu weilen in Deutschland, verwirkt. Die haben hier nichts zu suchen.“

Mazyek ahnt bereits, daß der Islam in Deutschland angesichts des massenhaften Zuzuges von zumeist islamischen Asylbewerbern vor einer Umwälzung steht. Er glaube, „daß der arabisch geprägte Islam künftig sichtbarer und der gesamte deutsche Islam vielfältiger sein wird“, sagte Mazyek der Welt. Genau dies ist für Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine große Gefahr: Er warnte, die Integration arabischer Moslems werde schwieriger als die der türkischen.

Der Anteil der Muslime unter den Asylsuchenden wird auf rund drei Viertel geschätzt. Bislang ist der Islam in Deutschland eher in türkischer Hand: Die meisten von den rund 2.400 Moscheen gehören türkischen Organisationen. Rund drei von vier Millionen Moslems in Deutschland sind türkischstämmig. Sie werden von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) vertreten; in den Moscheen wird türkisch gepredigt – nach Texten, die über die türkische Botschaft verteilt werden. Arabischstämmig sind dagegen bislang rund 600.000 Moslems.

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht nun die Chance gekommen, um mit den islamischen Verbänden zusammen „einen gewissen Abnabelungsprozeß aus den Herkunftsländern zu vollziehen. Denn eines ist klar, wenn wir hier zusammen kommen wollen, dann müssen auch die Dachverbände sich immer stärker als einheimische Organisationen aufstellen und verstehen“, sagte er dem SWR. Dies gelte zum Beispiel „für den größten Verband Ditib, der sich bislang doch hauptsächlich als Auslandsfiliale von Ankara versteht. Da bitte ich doch um Verständnis dafür, daß kein Land sich das auf Dauer gefallen lassen kann.“ Özdemir meint, daß deutsch nun zur „Lingua franca“ für Moslems werden müsse. Denn die Vorstellung, daß die Predigt auf kurdisch, auf türkisch oder auf arabisch stattfände, „ist ja auf Dauer kaum durchzuhalten“.

Doch aktuell mischen ausländische Mächte kräftig mit bei der Gestaltung des Islams in Deutschland und finanzieren etwa wie Saudi-Arabien den Bau von Moscheen. Das sieht nicht nur der kirchen- und religionspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Franz Josef Jung (CDU), kritisch. Saudi-Arabien solle besser Flüchtlingslager in seiner Region finanzieren.

Widerspruch von der kurdischen Gemeinde

Unterdessen wird auch darüber diskutiert, ob Muslime und speziell die Islamverbände sich genug engagieren, um muslimischen Asylbewerbern zu helfen. Mazyek hatte entsprechende Kritik zurückgewiesen. „Bedenken Sie, daß unsere Wohlfahrtseinrichtungen bescheiden ausgestattet sind, kein Vergleich mit der kirchlichen Diakonie oder Caritas“, sagte Mazyek der B.Z. Man lebe von Spenden und verfüge anders als die christlichen Dienste nicht über staatliche Zuwendungen – außerdem gebe es zahlenmäßig schlichtweg weniger Muslime in Deutschland. Dem widerspricht die Kurdische Gemeinde Deutschland. Die Islamverbände und Moscheen hätten „keinerlei Interesse und Engagement“ für Flüchtlinge gezeigt, sagte der Bundesvorsitzende der Organisation, Ali Ertan Toprak. Während die muslimischen Verbände „in jeder politischen Gesprächsrunde“ Solidarität und Offenheit von anderen einfordern würden, „ducken sie sich bei den Flüchtlingen weg und überlassen sie den ‘Herkunftsdeutschen’“. Toprak mutmaßt gar, „daß viele muslimische Organisationen und Moscheen in Deutschland diese Flüchtlinge vielmehr als Verräter an der Religion ansehen, die die jahrelange Imagearbeit über einen Islam des Friedens und des Wohlwollens gefährden, indem sie mit ihrer Flucht der Öffentlichkeit die tatsächliche humanitäre Katastrophe in diesen Ländern vor Augen führen“.