© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

„Ich bin ausgelöscht“
Skandal-Rede: Mit seinem Auftritt bei Pegida sorgte der Schriftsteller Akif Pirinçci für helle Empörung. Es hagelte Boykottaufrufe und Strafanzeigen. Nun kündigt der Autor an, Deutschland zu verlassen
Felix Krautkrämer

Herr Pirinçci, Sie denken ernsthaft darüber nach, Deutschland zu verlassen, wieso?

Pirinçci: Was soll ich noch in diesem Land? Meine geschäftliche Grundlage ist zerstört. Was soll man von einem Buchhandel halten, der sich darüber freut, daß er keine Bücher verkauft? 

Sie meinen den Boykott Ihres neuen Buches „Die große Verschwulung“, das von Grossisten wie Libri, KNV oder Umbreit nicht vertrieben wird und an dem sich auch Ketten wie Thalia beteiligen. 

Pirinçci: Es geht um alle meine Bücher, nicht nur um mein aktuelles. Amazon hat alles von mir gesperrt. Auch meine Katzenkrimis. Das ist einmalig in Deutschland. Selbst bei Eva Herman konnte man ihre Bücher noch im Buchhandel bekommen. Thalia hat dagegen angekündigt, selbst wenn Kunden das Buch wollen, werden sie es nicht bestellen. 

Wie haben Ihre Kollegen auf den Boykott reagiert?

Pirinçci: Die haben doch hauptsächlich dazu aufgerufen! Der normale Bürger dagegen ist auf meiner Seite. Es sind die Kollegen, die damit ein Problem haben und den Boykott fordern. Nahezu sämtliche Intellektuelle in diesem Land sind vernarrt in einen totalitären Staat. 

Mit dem Ergebnis, daß Ihre Bücher nicht mehr vertrieben werden und Sie somit zum Verstummen gebracht worden sind. 

Pirinçci: Mag sein, aber Amazon hat damit die Büchse der Pandora geöffnet. Seit sie mich gesperrt haben, dürften sie unzählige Aufforderungen erhalten haben, auch andere Bücher aus dem Sortiment zu nehmen. Denn wenn die Zensoren einmal Blut geleckt haben, können sie nicht mehr davon lassen. Also wird Amazon jetzt andauernd Bücher und Autoren sperren müssen. Ein Buchhändler, der sich freiwillig in die Rolle des Zensors begibt – armselig.

Sie werfen den Medien auf Ihrer Internetseite vor, durch die verzerrte Berichterstattung Ihr Leben zu gefährden.

Pirinçci: Es ist momentan ein regelrechter Spießrutenlauf. Ich kann das Haus kaum verlassen. Viele kühlen jetzt ihr Mütchen an mir. Fremde beschimpfen mich auf der Straße als „Nazi“. Warum? Vermutlich haben sie bloß Streß mit ihrer Freundin oder Verdauungsprobleme. Aber ich bin jetzt schuld. Den Leuten wurde signalisiert, da ist einer zum Abschuß freigegeben, den könnt ihr fertigmachen. 

Geht es auch über Beschimpfungen hinaus?

Pirinçci: Vergangenen Samstag hat mir jemand eine Cola übergeschüttet. So was geht jetzt in Ordnung. Wenn mir jemand mit einer Eisenstange auf den Kopf hauen würde, würde das wahrscheinlich auch in Ordnung gehen. Ich bin ja nur der „Nazi“. 

Erhalten Sie Drohungen?

Pirinçci: Keine, die ich ernst nehme. Viel wichtiger ist, daß ich als Autor nicht mehr existiere. Ich bin ausgelöscht. Meine zwei letzten Bücher gibt’s nur noch beim Verlag zu bestellen. Darauf kann man keine existentielle Grundlage aufbauen. Sollen die ihren Krempel doch alleine machen. Ich werde mein Haus jetzt verkaufen, und dann war’s das.

Sie spielen also ernsthaft mit dem Gedanken, das Land zu verlassen?

Pirinçci: Ja, ich hab auch schon einen Käufer. Ich habe keine Lust, den ganzen Tag Anwaltsbriefe zu beantworten und mir diesen Scheiß anzuhören. Andauernd ist von meiner angeblichen „KZ-Rede“ zu hören ...

Viele Medien behaupten bis heute, Sie hätten sich in Ihrer Pegida-Rede zur Lösung der Asylkrise KZs zurückgewünscht.

Pirinçci: Wer das Zitat vollständig liest, weiß ganz genau, was ich gemeint habe. Ich habe überspitzt und satirisch gemeint, daß die Politik am liebsten Asylkritiker ins KZ stecken würde. Das Ganze fängt mit einer Analogie zum Nationalsozialismus an, mit der Umvolkung. Dann kommen verschiedene Aussagen, unter anderem die eines CDU-Politikers aus Hessen, der Asylkritikern empfahl, Deutschland zu verlassen, wenn die momentane Situation ihnen nicht passe. Da habe ich überspitzt gesagt, es gebe auch andere Alternativen, aber die KZs seien ja leider außer Betrieb. Ich habe das in einer sarkastischen Form gemeint. Jeder, der das lesen kann, weiß, daß das nicht auf Flüchtlinge oder Politiker bezogen war, sondern auf die Asylkritiker. Daß man die am liebsten noch ins KZ stecken würde.

Asylanten, die in Frauen „ihren Moslemsaft hineinpumpen“, die Grünen als „Kinderfickerpartei“: Diskreditieren Sie mit einer solchen Wortwahl nicht jede ernsthafte Asylkritik?

Pirinçci: Es mag sein, daß ich das diskreditiere. Aber ich bin nun mal ein sogenannter Krawallautor. Ich verpacke das in sehr griffige, provozierende Worte. Und das mit dem „Moslemsaft reinpumpen“: Das steht auch in einem größeren Zusammenhang. Da muß man mal den ganzen Abschnitt lesen. Da ging es um einen islamischen Verein in Berlin, der forderte, Aktbilder aus einer Ausstellung zu entfernen. Das ist wie mit den KZs. Es werden immer ganz gezielt nur einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen.

Wohin wollen Sie auswandern?

Pirinçci: Mal gucken, ich hab da schon ein Ziel, aber das möchte ich jetzt noch nicht öffentlich machen. In Deutschland gibt es doch nur noch eine Meinung, und das ist die grünlinksversiffte. Die Quittung dafür wird kommen, vielleicht schon nächstes Jahr. Wir haben dieses Jahr zwei Millionen ausländische Sozialhilfeempfänger. Nächstes Jahr kommen vermutlich noch fünf Millionen weitere dazu. Viel Spaß, aber ohne mich. 

Sie leben schon so lange in Deutschland und gelten als Musterbeispiel gelungener Integration …

Pirinçci: So eine Integration will man in Deutschland nicht. Daß ein Einwanderer Deutschland liebt. Man soll vielmehr der vergrünisierte Türke sein, der ständig über die Deutschen Scheiße auskübelt. Weil sie lächerliche Deutsche sind. So wie die türkischen Comedians, die bei ihren Auftritten Witzchen über Deutsche machen. Aber einen, der wie ich sagt: Ich liebe Deutschland mit Haut und Haaren, das will man nicht. 

Sie waren sonst eher fürs Austeilen zuständig, jetzt sind Sie in der Opferposition angekommen, ist Ihre Integration damit nun perfekt? Pirinçci, das jammernde Opfer? 

Pirinçci: Ich stelle mich nicht als Opfer dar. Ich habe nur gesagt, daß ich gehe. Schauen Sie sich doch die Presse hier an. Leute, die zum Teil weniger als ein Müllmann verdienen, prägen die Kultur und den gesellschaftlichen Diskurs. Kaum einer der Journalisten, die mich angreifen, hat sich die Mühe gemacht, meine Rede mal vollständig anzuhören. Sie haben den Spiegel gelesen, und das genügt ihnen als Recherche. Der hat es so geschrieben, also muß es stimmen. Und so behaupten sie fröhlich ebenfalls, der Pirinçci hat sich KZs gewünscht.

Das heißt, Sie sehen gar keine Chance mehr, Ihre Aussage geradezurücken?

Pirinçci: Selbst wenn es richtiggestellt würde: All diese Leute vom Buchhandel werden ihre Entscheidung doch nicht korrigieren und sagen, wir haben einen Fehler gemacht. Sie glauben doch nicht, daß Random House auf mich zukommt und sagt: Wir nehmen dich wieder auf. Tut uns leid, war ein Versehen. Irgendwas bleibt immer hängen. Meine Bücher wurden quasi verbrannt. Ich bin als Autor nicht mehr existent. Von so was gibt es keinen Rückzieher. 

Wie geht jemand damit um, dessen Leben das Schreiben ist?

Pirinçci: Die deutsche Kultur mag das, was ich mache, nicht. Kunst oder Geschichte sollen den Menschen nicht unterhaltend beigebracht werden. In diesem Land bestimmen Politik und Medien, wie Kultur auszusehen hat. Heute wäre es zum Beispiel unmöglich, einen Autor wie Charles Bukowski zu verlegen. Da würden die Feministinnen sofort auf die Barrikaden steigen. Die Medien wollen lieber einen Til Schweiger, der erzählt, daß er Flüchtlingen ein Heim baut. Egal, ob dann gar nichts daraus wird. Die Medien finden das super und laden ihn in jede Talkshow ein. Das ist alles eine Scheinrealität, Scheinkunst, Scheinkultur. In Wirklichkeit verkümmert die Kultur aber dadurch.

Sie sehen also keine Zukunft mehr für sich in Deutschland?

Pirinçci: Nein, ich bin dauerhaft verbrannt. Ich werde vielleicht noch ein paar lustige Dinge auf Facebook schreiben, aber das war’s dann auch. Alles andere funktioniert nicht mehr. Ich habe Deutschland mit seiner Streitkultur so geliebt. Aber jetzt werden sogar meine Katzenkrimis gesperrt. 

Das heißt, der Schriftsteller Akif Pirinçci ist Geschichte?

Pirinçci: Ja, absolut. 






Akif Pirinçci, 1959 in Istanbul geboren, aufgewachsen in der Eifel. Sein Debüt lieferte Pirinçci 1980 mit dem Roman „Tränen sind immer das Ende“. Als Schöpfer des Tierkrimis eroberte er ab 1989 mit „Felidae“ das Publikum. 2014 sorgte Pirinçci mit seinem Bestseller „Deutschland von Sinnen“ über den „irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ für Schlagzeilen. In der vergangenen Woche erschien sein aktuelles Buch „Die große Verschwulung. Wenn aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer“ (Manuscriptum, Edition Sonderwege). 

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