© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Lesereinspruch

Bitte mal hingehen

Zu: „Jegliches hat seine Zeit“ von Paul Leonhard (JF 44/15)

Ja, man kann die Ostrocker der Puhdys für ihre Staatsnähe in der DDR kritisieren. Was allerdings nicht geht, ist, sich bei einem Bericht über die letzte Tour der Band zu 80 Prozent mit diesen Themen zu befassen. Ich war auf vielen Konzerten der Puhdys. Nicht, weil ich Honecker nachtrauere. Sondern weil dort einfach eine Riesenstimmung herrscht. 

Die Menschen essen Bratwurst, trinken ihr Bier und freuen sich an gut gemachter deutscher Musik. Wenn Hunderte zusammen „Alt wie ein Baum“ singen, ist wahrscheinlich mehr für den Zusammenhalt der Leute getan, als bei jedem Konzert von Sido. Im übrigen ist die DDR vor 25 Jahren untergegangen. Mit „Wir haben immer nur gewartet“ haben die Puhdys danach einen schönen Abgesang auf den morschen Staat verfaßt. Vielleicht zu spät. Aber das gehört eben auch zur Wahrheit. Wenn die JUNGE FREIHEIT das nächstemal über eine Abschiedstournee berichtet, sollte sie vielleicht auch mal jemanden zu einem Konzert schicken und mit den Besuchern sprechen. Bei den Puhdys hätte der Text dann sicherlich anders ausgesehen.

Christian Lenzel, Berlin