© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Germanisches Beutegut am Rhein
Fund der Antike: Die Ausstellung „Der Barbarenschatz“ im Knauf-Museum Iphofen gibt Einblicke in die römische Alltagswelt des dritten Jahrhunderts
Felix Dirsch

Das Knauf-Museum im unterfränkischen Iphofen ist überschaubar und nichtsdestotrotz seit über drei Jahrzehnten ein kulturelles Juwel in der Landschaft. Von den weithin bekannten Gips-Unternehmern Karl und Alfons N. Knauf begründet, zeigt es eine faszinierende Dauerausstellung mit Repliken aus frühen Epochen der Kulturgeschichte, insbesondere aus dem Alten Ägypten.

Auch gelegentliche Sonderausstellungen sind einen Besuch wert. Derzeit ist der Barbarenschatz zu bewundern, dessen Teile ab 1970 bei Bauarbeiten in einem Gewässer bei Neupotz (Kreis Germersheim) gefunden wurden. In der Antike nahm der Rhein einen etwas anderen Verlauf als heute. Der gesamte Fund von über tausend Einzelteilen wiegt rund 700 Kilogramm. Die Bergung zog sich über einen längeren Zeitraum hin. Wahrscheinlich ist sie noch nicht abgeschlossen. Die Eigentümer übergaben das Geborgene, dessen Wert nicht zu überschätzen ist, an das Museum der Pfalz in Speyer.

Im Erdgeschoß, am Anfang der Ausstellung, ist ein Film zu sehen, der dem Interessierten die historischen Hintergründe nahebringt. Das Römische Reich lag um 250 in Agonie. Die Zahl der kriegerischen Konflikte nahm dramatisch zu. Immer mehr römische Einheiten wurden vom Rhein an die Donau und in den Nahen Osten verlegt. Diese Entwicklungen schwächten die Verteidiger und verschafften den germanischen Eindringlingen Oberwasser. Sie zogen plündernd und brandschatzend über die immer weniger bewachten Grenzen und raubten häufig Gegenstände des Alltagslebens. Tief nach Gallien drangen sie ein. Besonders die Alemannen überfielen häufig die Regionen jenseits des Limes, der zu dieser Zeit immer weniger Schutz bot. Entscheidendes Motiv dürfte die zunehmende Nahrungsmittelknappheit gewesen sind. Bei der Rückkehr von den Beutezügen benutzten die Krieger zumeist von ihren Feinden erbaute Straßen, öfters aber auch Wasserwege. Die Germanen überquerten nicht nur den Rhein, sondern fuhren auch längere Strecken mit Booten. Es blieb nicht aus, daß ihnen römische Patrouillen begegneten. Bei Zusammenstößen kam es mitunter vor, daß wertvolles Raubgut im Rhein landete.

Im Erdgeschoß ist auch ein Altar zu bewundern, den Römer der Siegeskönigin Victoria widmeten. Er stand in Augsburg, der römischen Augusta Vindelicorum, und wurde etwa Mitte des dritten Jahrhunderts errichtet. Der Anlaß dürfte in den militärischen Erfolgen über germanische Stämme gelegen haben. Man recycelte einen bereits vorhandenen Altar.

Es läßt sich also plausibel erklären, wie der Hort, so die Bezeichnung eines antiken Depotfundes, im Rhein landete. Zwar dürften auch viele organische Bestände entwendet worden sein, etwa Nahrungsmittel. Erhalten aber haben sich fast ausschließlich Metallobjekte aus Eisen, Bronze, Kupfer, Messing, Silber und Zinn. Auf drei Etagen sind sie zu bestaunen.

In Vitrinen sind die Stücke in verschiedene Funktionsbereiche eingeteilt. Dazu zählen Schmuck, Geschirr und Töpfe ebenso wie Bohrer sowie Hacken. Unter anderem werden so Einblicke in die römische Eßkultur möglich. Der landwirtschaftliche Sektor ist mit diversen Werkzeugen vertreten. Beispiele für den Wagen- und Schiffsbau sind zu sehen. Ausschnitte der römischen Gesellschaft sind somit zu erkennen. Manche Exponate findet man zerstört vor, nicht wenige sogar mutwillig. Die Germanen, die von ihren Gegnern als kulturlos bezeichnet wurden, weil ihre Gebäude aus Holz, anders als die der „zivilisierten“ Römer aus Stein bestanden, zeigten wohl nur Interesse am Materialwert, nicht an einem spezifischen Gebrauch.

Das Museum zeigt nicht nur den Barbarenschatz, sondern auch andere Gegenstände, die in der näheren und weiteren Umgebung von Iphofen gefunden wurden. Sie passen chronologisch wie inhaltlich gut zu den wertvollen Rhein-Teilen. Besonders wichtig sind Münzen aus dem betreffenden Zeitraum.

Daß die Initiatoren einiges im Vorfeld der Präsentation zu leisten hatten, wird am Beispiel eines großen Holzwagens deutlich. Dieses wahrscheinlich schwer beladene Gefährt wurde von den Kuratoren einigermaßen detailgetreu rekonstruiert. Mit seiner Hilfe dürften die Invasoren ihre Beute transportiert haben. Leider ist das Fahrzeug im Original nicht mehr erhalten. Die schmerzvolle Lücke wurde mit großer Geschicklichkeit geschlossen. Dieses letzte Exponat ist das größte wie auch imposanteste der Ausstellung.

Die Darbietung ist ein Meilenstein in ihrer Absicht, diese bedeutenden archäologischen Sammlungen einem größeren Publikum nahezubringen.

Die Ausstellung „Der Barbarenschatz“ ist bis zum 8. November im Knauf-Museum Iphofen, Am Marktplatz, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, So. ab 11 Uhr, zu sehen. Telefon: 0 93 23 / 31- 528 oder 31- 0

Der vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer herausgegebene Katalog mit 248 Seiten und 298 Abbildungen kostet 24,95 Euro.

 www.knauf-museum.de