© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Ken am Kreuz
Und Barbie als Jungfrau Maria: Zweiter Anlauf für eine umstrittene Ausstellung im katholischen Argentinien
Richard Stoltz

Der voriges Jahr in Argentinien entbrannte Kampf um die Darstellung der Modepuppe Barbie als Inkarnation der Heiligen Mutter Maria geht stramm weiter. Im Juli 2014 hatte die Künstlerin Marianela Perelli mit ihrem Partner Emiliano Paolini in Buenos Aires für Aufsehen gesorgt, als sie das berühmte Spielzeug aus dem Hause Mattel samt ihrem männlichen Pendant Ken präsentierte. Ken hing als Jesus Christus am Kreuz, Barbie stand als Mutter Maria davor und weinte.

Der Zorn im katholischen Land Argentinien war groß. Es gab massive Proteste und Drohungen gegen das Kunstprojekt „Barbie: Die formbare Religion“.Perelli wurde via Internet mit einem Shitstorm überzogen, die Ausstellung schließlich abgesagt. Aber jetzt ist es plötzlich wieder da, restauriert und seit vergangenem Samstag ausgestellt in der zentralen POPA Galeria de Art in Buenos Aires. Wir haben nichts verändert“, betonte Perelli vor der Presse. „Ken hängt noch immer am Kreuz, und Barbie trägt noch immer ihren Heiligenschein.“

Proteste hat es bisher nicht gegeben. Am 25. Oktober finden in Argentinien die Präsidentschafts- und  Parlamentswahlen statt, ihr Ausgang ist höchst ungewiß, und so mag es sein, daß man sich in Buenos Aires im Augenblick allerseits mehr für die Chancen des aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten Daniel Scioli interessiert als für ein blasphemisches Kunstprojekt mit der Puppe Barbie.

Es gibt freilich auch andere, hochdramatische Spekulationen. Denn die bisherige Präsidentin Cristina Elisabet Fernández de Kirchner, letzte Verkörperung des einst mächtigen Links-Peronismus, durfte nach zwei Amtsperioden laut Verfassung nicht mehr antreten. Zudem war sie in ihren letzten Regierungsjahren schweren Vorwürfen wegen Korruption und Strafvereitelung im Amt ausgesetzt. Sie reagierte darauf schwach, glich eher einer überdimensionalen Barbie als einer Landesmutter. Da ist es vielleicht ganz gut, mögen sich nun ihre unverzagten Anhänger sagen, daß wenigstens in der aktuellen Kunst Barbie als Gottesmutter erscheint.