© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Konzerne bunkern Billionen aus Steuerspargründen im Ausland
Der lange Arm des Fiskus
Thomas Kirchner

Amerikanische Großunternehmen bunkern derzeit Gewinne in Höhe von 2,1 Billionen Dollar außerhalb der USA. Den größten Posten stellt General Electric (GE) mit 119 Milliarden, gefolgt von Microsoft mit 108 Milliarden. Die fünf größten US-Technologiefirmen zusammen halten ein Fünftel der Summe, die größten 30 Unternehmen zwei Drittel. „Facebook zahlt mehr Boni als Steuern“, titelte sich kürzlich der linksliberale Londoner Guardian.

Die Süddeutsche griff die Neiddebatte dankbar auf, doch der Grund ist schlicht eine alte US-Exportförderregel, nach der Steuern erst anfallen, wenn im Ausland erzielte Gewinne repatriiert werden. Das Geld liegt aber nicht unproduktiv auf einem Konto. Vielmehr handelt es sich um Buchwerte der Gewinne, die oft längst reinvestiert sind. Die relevante Frage ist also, inwiefern produktive Reinvestition durch private Unternehmen effektiver ist als Besteuerung plus Umverteilung.

Unversteuert sind die Gewinne ohnehin nicht. Bei einer naiven Rechnung haben die Firmen 620 Milliarden Dollar an US-Steuern gespart. Auch wenn die Medien sich auf Steuerparadiese konzentrieren, ist in Wirklichkeit ein erheblicher Teil der Buchgewinne bereits von den ausländischen Filialen versteuert worden. Dafür gibt es laut Doppelbesteuerungsabkommen Gutschriften, so daß die tatsächlichen Steuereinnahmen bei Repatriierung weit niedriger wären als erhofft. Grenzüberschreitende Besteuerung wird immer zu Ungerechtigkeiten führen. Das britisch-belgische Tax Justice Network fordert eine globale Aufteilung der Gewinnsteuern proportional zum Umsatz je Land. Der Vorschlag der Steuererhöhungslobby klingt bestechend logisch – doch dann werden Steuereinnahmen aus Ländern, wo aufgrund teurer Infrastruktur die Gewinnmargen hoch sind, umverteilt an Länder, die Unternehmen das Wirtschaften schwer machen und wo nur geringe Margen anfallen. Also von EU-Sozialstaaten an afrikanische Kleptokraten. Gerecht ist das sicherlich nicht, und wirtschaftlich auch noch ineffizient.

Gerade in den USA ist der Unternehmenssteuersatz mit 35 Prozent zu hoch. Dazu kommt die Doppelbesteuerung bei Auszahlung als Dividende, bei grenzüberschreitenden Gewinnen sogar Dreifachbesteuerung durch Quellensteuern. Durch das Parken von Gewinnen im Ausland gleichen US-Firmen ihre effektiven Steuersätze nur denen der europäischen Konkurrenz an. Durch die Reduzierung von Steuern würde sich das Problem selbst erledigen.

Bei der Skandalisierung ist natürlich viel Heuchelei im Spiel. Penny Pritzker, Obamas Handelsministerin, stammt aus einer Familie (Hyatt-Hotels, Immobilien), die für ihre komplexen Offshore-Trusts berüchtigt ist. Hillary Clinton empörte sich über Trusts der Reichen – kurz nachdem sie Tochter Chelsea einen eingerichtet hatte. Es sind eben immer die anderen, die nicht genug Steuern zahlen.