© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Grüße aus Santiago de Cuba
Katz und Maus spielen
Alessandra Garcia

Von der arabischen und afrikanischen Völkerwanderung Richtung Norden berichten auch unsere Medien. Auch davon, wie sich manche europäische Staaten weigern, die Fremden aufzunehmen. Andere sich – noch – darüber freuen. Und wie die einheimische Bevölkerung aufbegehrt. Viele meiner Landsleute wollen auch gern das Land verlassen. Träumen von einem Leben in Europa, den USA oder wenigstens Kanada.

Einige versuchen ihre Träume legal zu verwirklichen, indem sie sich, ausgestattet mit einer Einladung, Kostenübernahmeverpflichtung und Flugticket, in die Wartereihen an den Botschaften in Havanna einreihen, um dann in den meisten Fällen abschlägig beschieden zu werden: Die Rückkehrwilligkeit sei nicht gegeben.

Andere risikieren mehr als ein paar Monatsgehälter und flüchten übers Meer. 180 Kilometer beträgt die Entfernung an der schmalsten Stelle. Und es lauern Haie und die US-Küstenwache mit Hubschraubern und Schnellbooten. Erst Mitte August wurden 65 kubanische Bootsflüchtlinge vor Florida aufgegriffen. Da konnten diese noch so sehr betteln, sie weiterfahren zu lassen, Gesetz ist Gesetz.

Ein bärtiger Uniformierter sitzt, eine Zigarre zwischen den Lippen,

in einem Schlauchboot.

Im Fall von kubanischen Flüchtlingen und US-Küstenwache ist das Katz-und-Maus-Spiel ein ganz besonderes. Die Spielregeln besagen: Wer auf dem Meer aufgegriffen wird, wird zurück nach Kuba gebracht. Wer es aus eigener Kraft bis an Land schafft, darf bleiben: „wet foot, dry foot.“ Mehr als 4.550 haben es 2013, im ersten Jahr der kubanischen Reisefreiheit, dennoch versucht. Und 814 schafften es.

Vor zwölf Jahren brachte es ein Lkw-Oldtimer, den Balseros mittels leerer Tanks und einer Schiffsschraube zu einem Amphibienfahrzeug umgebaut hatten, sogar auf die Titelbilder deutscher Zeitungen. 65 Kilometer südlich von Key West wurde der Chevrolet, Baujahr 1951, von der Küstenwache gestoppt und versenkt, seine zwölfköpfige Besatzung den kubanischen Behörden übergeben. 

Der Umgang mit den Balseros ist ein Lehrstück, wie wenig die USA Menschenrechte interessieren, wenn es um die eigenen Interessen geht.

Apropos: Ein Freund schenkte mir einmal ein Bild. Ein bärtiger Uniformierter sitzt, eine Zigarre zwischen den verbissenen Lippen, in einem Schlauchboot. Und der Mann rudert hastig mit einem Besenstil übers Meer. Unser Máximo Líder als letzter kubanischer Bootsflüchting auf dem Weg nach Flordia.