© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Fast ein kleiner Aufstand
Junge Union: Deutschlandtag im Zeichen der Asylkrise
Hinrich Rohbohm

Die Botschaften auf den blauen und grünen Schildern sind eindeutig. „Zuwanderung begrenzen“, „Transitzonen jetzt“ und „Klarer Kurs? Nur mit der CSU“ steht auf ihnen geschrieben. Delegierte des JU-Landesverbands Bayern halten sie in die Höhe, als Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Freitag pünktlich um 19 Uhr den Saal im Congreß Center Hamburg betritt. Der Unionsnachwuchs hält seinen diesjährigen Deutschlandtag in der Hansestadt ab.

In den vergangenen Jahren ein eher unangenehmer Termin für Merkel. Einer, bei dem sie sich so manches Mal Kritik an ihrem Linkskurs und der damit einhergehenden Sozialdemokratisierung der Union gefallen lassen mußte. Ausgerechnet jetzt muß sie wieder zur JU. Jetzt, wo sie durch ihre Haltung in der Asylkrise ohnehin Kritik aus den Reihen der CDU und vor allem der bayrischen Schwesterpartei ausgesetzt ist.

Als die CDU-Chefin auf die Asylkrise zu sprechen kommt und über Lösungswege spricht, kommt auch prompt ein Zwischenruf. „Nicht nur ankündigen, auch umsetzen“, ertönt es aus den bayrischen Reihen. „Sie sind herzlich eingeladen, mitzuarbeiten“, kontert die Kanzlerin unter dem Beifall der Delegierten.

Schützenhilfe erhält Merkel von Serap Güler, einer von Armin Laschet protegierten NRW-Landtagsabgeordneten.  „Ich stehe hinter Ihnen, Frau Bundeskanzlerin“, erklärt das CDU-Bundesvorstandsmitglied und wirbt in bezug auf die Asylkrise für mehr deutsche Hilfe an die Türkei. Pikant: Güler hatte in der Vergangenheit unter anderem durch den Besuch von zwei Veranstaltungen der türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe für Schlagzeilen gesorgt.

Gedenken an Philipp Mißfelder

Kritik am Asylkurs der Kanzlerin kommt hingegen von den JU-Landeschefs aus Bayern und Niedersachsen, Hans Reichert und Tilman Kuban. Weitere Mitglieder schließen sich an: „Wenn dieser Zustand mit christlicher Nächstenliebe aufgeladen wird, dann habe ich damit ein Problem“, meint einer.

Bei ihrem Einzug in den Saal war Merkel erwartungsgemäß im Stehen applaudiert worden. Auch von den Bayern. Nur wenige bleiben demonstrativ sitzen. Andererseits sind es aber auch die Bayern, die sich als erste wieder setzen, während die Delegierten des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen noch lange rhythmisch klatschend ihrer Kanzlerin huldigen.Das war nicht immer so. Unter der Ägide ihres im Juli verstorbenen Ex-Vorsitzenden Philipp Mißfelder kam oftmals gerade aus dem mitgliederstärksten JU-Landesverband Kritik am Kurs der Kanzlerin.

Gleich zu Beginn des Deutschlandtages gedenken die Delegierten ihres langjährigen Vorsitzenden, der die JU zwölf Jahre maßgeblich prägte. Die Lichter gehen aus, die Delegierten erheben sich. Stille. Dunkelheit. Dann blendet die Regie Bilder aus dem politischen Leben Mißfelders ein. Auch seine Frau ist bei dem Andenken zugegen. Die JU ernennt ihn postum zum Ehrenvorsitzenden.

Der derzeitige Vorsitzende Paul Ziemiak ist jetzt ein Jahr im Amt. Das Urteil der Delegierten über ihn ist geteilt. In Nordrhein-Westfalen schwärmen viele von ihm. Andere bezeichnen ihn als integrativ, aber oft zu brav, wieder andere werfen ihm inhaltliche Schwäche vor. Wenige Tage vor dem Deutschlandtag machte er mit der Forderung nach einer Obergrenze für Asylbewerber auf sich aufmerksam. Maximal 250.000 Zuwanderer seien verkraftbar, sagt er und geht damit auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin, die Obergrenzen ablehnt.

Tauber: Mehr Einwanderer in die Union

Geschlossen ist die JU in diesem Punkt jedoch nicht. „Im Bundesvorstand gab es auch Gegenstimmen“, räumt Ziemiak ein. Statt hinter einem Rednerpult steht er wie ein Showmaster mitten auf der Bühne, ein Headset am Kopf befestigt und  Stichwortkärtchen in der Hand.

So begrüßt er auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, dessen Empfang deutlich frostiger ausfällt. Auch das ist neu bei der JU. Doch Scheuer kann bei der JU punkten. „Wir wollen kein Multikulti und Wischiwaschi, wir wollen eine deutsche Leitkultur“, ruft er unter dem Beifall der Delegierten. „Scheuer, Scheuer“-Rufe ertönen im Saal. Und zum JU-Chef gewandt sagt er: „Lieber Paul, es ist richtig, daß wir über eine Obergrenze diskutieren, die haben wir schon längst überschritten.“

Scheuers Rede ist ein Kontrast zu CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der zu Star-Wars-Musik die Bühne betritt und auf einem Stuhl Platz nehmen muß, um sich dort kritischen Fragen der JU zu stellen. „Wie hättest du deine erste Frage: roh, medium oder durch?“ fragt ihn der JU-Moderator. „Roh und blutig, da stelle ich mir so einen schönen aufgeschnittenen Juso vor“, scherzt Tauber. Dann wird es peinlich. „Würdest du Flüchtlinge bei dir zu Hause aufnehmen?“ Tauber zögert, weicht aus, verhaspelt sich etwas. „Äh, also bei mir ist es zu eng, dafür wäre ja ein zusätzlicher separater Raum erforderlich.“

Auch bei der Frage, ob er sich nach der Wahl 2017 Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb wünscht, weicht er aus. „Also erstmal ganz viel Schwarz, und dann muß man sehen.“ Schließlich fällt die Frage nach seinem größten Ziel, das er erreichen will. Taubers Antwort: „Den Migrantenanteil in der Union deutlich erhöhen.“ Warum er Generalsekretär geworden ist, erklärt er übrigens so: „Die einen sagen, Merkel hatte mit meiner Berufung einen Plan. Die anderen sagen, sie wollte einfach mal etwas vollkommen Verrücktes machen.“ Gut möglich, daß sogar beides der Grund gewesen ist.