© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

„Ich traue den Grünen nicht mehr“
Wie moralisch ist die grüne „Moralpartei“ tatsächlich? Der Publizist Michael Grandt ist der Frage in einem Buch nachgegangen
Moritz Schwarz

Herr Dr. Grandt, sind die Grünen das gute Deutschland? 

Grandt: Im Gegenteil, wer hinter die Kulissen schaut, dem graut es. 

Aber haben die Grünen nicht zum Beispiel jene Willkommenskultur geschaffen, für die uns die ganze Welt nun so bewundert? 

Grandt: Richtig, und wer hätte geglaubt, daß ausgerechnet eine CDU-Regierung einmal die – tatsächlich unverantwortliche – grüne „Verantwortungsgemeinschaft“, wie das Ministerpräsident Kretschmann mit Blick auf die Flüchtlingskrise genannt hat, durchsetzt. Die deutsche Politik ist nicht erst seit Merkels „Grenzen auf!“ weitgehend „vergrünt“. Nur sehe ich keinen Grund zur Freude, etwa wenn ich an die fatalen sozialen Konsequenzen denke, die das haben wird. Mit dem „Refugees welcome“-Wahn geht eine weitere Saat auf, die eigentlich aus dem linksradikalen Milieu der achtziger Jahre stammt. 

In Ihrem Buch skizzieren Sie, wie Deutschland aussähe, hätten sich die Grünen von damals in jeder Hinsicht durchgesetzt. 

Grandt: Ich zähle dort all die kruden Ideen der Grünen von deren Gründung bis heute auf. Einige dieser Ideen vertreten sie ja noch immer, wie zum Beispiel die Freigabe bestimmter Drogen.

Ist nicht vieles von dem, was Ihr Buch kritisiert, eher dem Zeitgeist der Achtziger als speziell den Grünen anzurechnen?

Grandt: So argumentieren manche ihrer Parteigänger noch heute, etwa wenn es um das Thema Pädophilie geht. Für mich ist das lediglich eine billige Ausrede.

Aber hat sich die Partei trotz einzelner Kontinuitäten nicht gründlich geändert? Die Grünen von heute sind doch nicht mehr die Grünen von damals.

Grandt: Nicht in jeder Hinsicht, das stimmt, allerdings tun sie so, als würden sie die angeblich grünen Grundwerte noch immer vertreten – tatsächlich aber handeln sie meist nur nach politischem Kalkül. Daß sie dennoch anhaltend Erfolg haben, liegt daran, daß viele Bürger das immer noch nicht durchschauen.

Warum nicht?

Grandt: Zum einen werden die Bürger nicht richtig informiert, denn die meisten Medien kommunizieren die Doppelmoral der Grünen nicht. Was kein Wunder ist, wenn man sich vergegenwärtigt, daß etwa sechzig Prozent der deutschen Journalisten eine Affinität zu den Grünen haben. Zum anderen wollen viele Bürger an ihrem Wunschbild von einer Moralpartei, als die sich die Grünen präsentieren, festhalten. Allerdings sind die Grünen das für mich mit einer schulmeisterlichen Art, mit Selbstgerechtigkeit, Überheblichkeit, missionarischem Eifer und erziehungsdiktatorischer Neigung, die sie exorbitant von anderen Parteien unterscheidet. Ihr moralischer Anspruch scheint mir viel höher zu sein als der der politischen Konkurrenz. Genau deshalb habe ich mein Buch geschrieben, dessen Kernfrage lautet: Wie glaubwürdig ist die grüne „Moralpartei“ in Wirklichkeit?

Ihr Fazit lautet?

Grandt: Ich traue den Grünen nicht mehr über den Weg, keinen Millimeter! Und der Zeit-Journalist Matthias Geis hat recht, wenn er feststellt, daß bei den Grünen heute „der Hang zur Lebenslüge ausgeprägter ist als bei den Altparteien, gegen die sie sich einst etablierten“.

Worin besteht die Doppelmoral, die Sie unterstellen? 

Grandt: Die Grünen haben viele ihrer Ziele immer wieder verraten, ihre eigenen Wähler an der Nase herumgeführt. So haben sie sich etwa für die Unterstützung von links- und rechtsextremen, antisemitischen Regierungen in der Ukraine und Griechenland ausgesprochen während sie hierzulande gegen AfD und NPD auf die Straße gehen. Das ist Heuchelei hoch fünfzig! Bis heute gibt sich die Partei pazifistisch, sozial und basisdemokratisch – Stichwort: Bürgerbeteiligung. Ich muß gestehen, mir war bis zu meinen Recherchen selbst nicht klar, in welchem Maße die Parteifunktionäre die eigenen Bundestagsabgeordneten ins Gebet genommen haben, um etwa den Kosovo-Krieg durchzusetzen. Motto: Wenn ihr nicht für den Krieg stimmt, können wir die Koalition nicht fortführen und unsere politischen Pläne nicht durchsetzen! Ebenso knallhart zeigten sie sich bei der Umsetzung der Hartz-IV-Reformen, für die ein erheblich größerer Teil der Fraktion der Grünen gestimmt hat als bei der SPD, von der das Gesetz eigentlich stammt.

Immerhin aber haben die Grünen in Baden-Württemberg ein Gesetz zur Bürgerbeteiligung verabschiedet und sogar – einmalig – extra eine Staatsrätin dafür bestellt. 

Grandt: Und trotzdem gibt es keine wirklich bedeutende gesellschaftliche Frage, bei der die Grünen das Volk beteiligen. Ob EU, Euro, Gender Mainstreaming, Frühsexualisierung oder derzeit die Masseneinwanderung – überall meiden gerade die Grünen den Diskurs mit Bürgern, die dazu kritische Fragen stellen. Und wenn Bürger deshalb auf die Straße gehen, werden sie von grünen Politikern als „Mischpoke“ beschimpft.   

In Sachen Pädophilie-Skandal, so legt Ihr Buch nahe, hätten die Grünen gerne versucht, dessen Enthüllung zu vertuschen, wäre ihnen das möglich gewesen. 

Grandt: Professor Franz Walter, der mit dem Verfassen des Berichts, den die Grünen selbst in Auftrag gegeben hatten, betraut wurde, sagt sinngemäß, die Aufarbeitung des Skandals sei auch aus wahlkampftaktischen Gründen geschehen. Sie ist bis heute nicht zu Ende. Ich habe das im Buch minutiös belegt.

2015 kamen neue Details ans Licht: In Berlin etwa waren Funktionäre der Grünen offenbar selbst an Pädophilie beteiligt. 

Grandt: Ich meine nicht, daß man den Grünen das ankreiden kann, denn Kinderschänder gibt es auch in anderen Parteien. Nein, der Skandal ist, daß sie lange dafür eintraten, Kindersex zu legitimieren, Täter, die Kinder geschändet hatten, zu entkriminalisieren und daß sie all das nicht von sich aus aufgearbeitet haben.

Sie betonen im Buch, daß Sie das Thema Pädophilie besonders trifft, warum? 

Grandt: Mein Bruder und ich haben zehn Jahre lang verdeckt im Bereich Kinderpornographie recherchiert. Zwei Jahre haben wir alleine gebraucht, um als angebliche Kinderschänder Zugang zu diesen Kreisen zu bekommen. Wir haben schließlich darüber ein Buch geschrieben und einen Film gemacht, der auch auf 3sat ausgestrahlt wurde, und wir haben der Polizei Hinweise auf Täter geliefert. Damals mußte ich in die Augen mißbrauchter Kinder sehen. Seitdem halte ich „Kindesmißbrauch“ oder „Pädophiler“ für viel zu harmlose Begriffe, spreche statt dessen von Kindersex und Kinderschänder, was das Leid der Opfer besser beschreibt. Die Grünen wollten glauben machen, daß die Legitimierung von Kindersex eine Verirrung war, die nur zwei, drei Jahre in ihrer Partei herumgeisterte. Tatsächlich war es, wie meine Recherchen zeigen, 16 Jahre lang ein Thema – in einer Partei, die es erst 35 Jahre gibt!  

Trotz des Skandals haben die Kindersexvorwürfe den Ruf der Grünen nicht wirklich erschüttert. Warum nicht? 

Grandt: Falsch, dieser Skandal hat die Grünen ins Mark getroffen. Das Argument, warum man eine Partei wählen soll, die viele Jahre lang quasi Sex mit Kindern legitimieren wollte, dürfte viele Wähler abschrecken.

Dann müßten die Umfragewerte der Grünen gefallen sein. Tatsächlich aber sind sie sogar leicht gestiegen: Bei der Bundestagswahl 2013 erzielte die Partei 8,4 Prozent, derzeit liegt sie bei neun Prozent.  

Grandt: Der Skandal kam im Sommer 2013 hoch, und im Herbst war die Bundestagswahl. Ich glaube, er hat die Grünen damals schon ein paar Prozent gekostet. Inzwischen ist medial leider etwas Gras über die Sache gewachsen, so daß es kein Wunder ist, daß die Umfragewerte sich wieder stabilisiert haben. Und anders als 2013, als das Thema über Wochen debattiert wurde, hielt es sich 2015 nur wenige Tage, dann hatten sich die Medien anderem zugewandt. Das war zu kurz, um eine Delle zu verursachen. Wie schlecht man in diesen Kreisen mit der Wahrheit umgehen kann, zeigt, daß man  einen Kritiker wie mich als Populisten und Demagogen beschimpft. 

Ihr Buch wirkt allerdings auch keineswegs nüchtern, wie eine Analyse, sondern empört, wie eine Anklage. Es erweckt trotz aller Fakten deutlich den Eindruck, als wollten Sie die Wut über die Grünen schüren.

Grandt: Genau das ist meine Absicht. Es soll eine Anklageschrift sein und die Moralapostel, die mehr Dreck am Stecken haben, als viele andere, herausfordern. Ganz bewußt! Und ich freue mich auf jede Auseinandersetzung. Übrigens habe ich viele grüne Funktionsträger angeschrieben und mit meinen Vorwürfen konfrontiert. Ihre Antworten sollten ungekürzt ins Buch übernommen werden. Fairer kann ein Autor nicht sein. Nur, die Antworten der grünen Damen und Herren waren mehr als dürftig, also dürfen sie sich auch nicht wundern, wenn das bei den Lesern negativ ankommt. 

Ihr offensiver Duktus unterminiert allerdings das Vertrauen in Ihr Buch.

Grandt: Ich gehe in meinem Leben und in allen meinen Publikationen offensiv vor, so denkt ein Kampfsportler nun mal. Übrigens habe ich 1.167 Fußnoten mit Quellen- und Dokumentenverweisen eingearbeitet, um jede Aussage belegen zu können. Viele Rezensenten haben mich dafür gelobt und halten das für eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas. Jeder darf meine Quellen gerne widerlegen, wenn er es schafft. 

Sie zitieren Kritiker, die vor Jahrzehnten warnten, die Grünen würden Demokratie, Rechtsstaat und Wohlstand ruinieren. Allerdings sind diese Vorhersagen nicht eingetroffen, als die Partei 1998 an die Macht kam.

Grandt: Da bin ich anderer Meinung: Der Rechtsstaat wurde durch die Antiterrorgesetze, die auch die Grünen abgenickt haben, ausgehöhlt. Die Menschen wurden durch die Hartz-IV-Gesetze ärmer, die ohne die Grünen nicht hätten verabschiedet werden können, und jetzt wollen sie auch noch Drogen legalisieren. 

Anti-Terror- und Hartz-Gesetze können Sie aber doch nicht in erster Linie den Grünen anrechnen.

Grandt: Natürlich, zum großen Teil. Denn hätten die Grünen nicht dafür gestimmt, hätten sie ihre Macht verloren. Das ist wieder diese Doppelmoral.

Die Warnungen zielten aber doch auf originär grüne Politik, nicht auf Mitläufertum.

Grandt: Daß die Grünen eine eigene Mehrheit erzielen, ist doch unrealistisch. Natürlich können sie nur in einer Koalition Politik machen. Und dort zeigten sie sich dann als willige Helfershelfer.    

Sie werfen den Grünen vor, eine „Erziehungsdespotie“ errichten zu wollen. Ist das bei aller Kritik nicht überzogen? 

Grandt: Keineswegs, Sie sehen das am Beispiel der Debatte über die Sexualkundevielfalt in Baden-Württemberg oder in Niedersachsen. Schulbücher sollen neu gestaltet, Kindergartenmaterial zu schwul-lesbisch-intersexuell-transgender-transsexueller Geschlechtlichkeit erstellt werden. Die Grünen sind dabei die Hauptprotagonisten.

Handelt es sich da nicht eher um eine Polemik aus dem sich alle vier Jahre öffnenden Wahlkampfarsenal von Union und FDP?

Grandt: Nein, es ist eine sehr ernste Sache. Gerade in meinem Heimatland Baden-Württemberg ist das ein großes Thema. Viele Eltern sind dagegen. Die Grünen verstehen es dabei meisterlich mit Begriffen umzugehen, gegen die man nichts sagen kann, ohne gleich in die rechte Ecke gedrängt zu werden. So gesehen halten sie eine Meinungsdiktatur aufrecht. Ministerpräsident Kretschmann brachte wie gesagt den Begriff „Verantwortungsgemeinschaft“ im Zusammenhang mit der Flüchtlings-Aufnahme ins Gespräch. Sind Sie also gegen die weitere Aufnahme, dann sind Sie gegen die „Verantwortungsgemeinschaft“ und sofort ausgegrenzt und „rechtsradikal“. Jeder, der gegen den grün-linken Mainstream ist, wird stigmatisiert. Das meine ich mit Gesinnungsdiktatur.

Wie ist den Grünen das eigentlich gelungen?

Grandt: Indem sie es geschafft haben, bestimmte Diskurse auch in anderen Parteien zu bestimmen. Nach der Sozialdemokratisierung der CDU erleben wir nun deren „Vergrünung“ – unter dem Motto „moderne Großstadtpartei“. Glücklicherweise gibt es an der CDU-Basis noch einen starken wertkonservativen Flügel, etwa in Baden-Württemberg. In der Führungsriege allerdings schielt man völlig skrupellos nach den Grünen.

Dabei erzielen diese bei Bundestagswahlen nicht mehr als acht bis zehn Prozent. Warum haben Sie dennoch solchen Einfluß?

Grandt: Weil die Grünen, anders als etwa die Linke, ein attraktiver Koalitionspartner sind, da sie es geschafft haben, ihre Werte in der Gesellschaft als neue Leitwerte zu etablieren. Es ist ihnen gelungen, bestimmte Normbegriffe in der Gesellschaft als unangreifbar zu verankern. Wo die Grünen das gelernt haben? Ich sage, bei der Frankfurter Schule! Schließlich sind sie die Instituionalisierung der Achtundsechziger und der Frankfurter Schule. 

Wohin steuert die „vergrünte“ Republik? 

Grandt: In eine bedenkliche Schieflage: Abschaffung des traditionellen Familienbildes, Abschaffung von Werten, Genderismus, Gleichmacherei, Freigabe von Drogen, Liberalisierung des Strafrechts, weitere Umverteilungen, eine immer schärfere Gesinnungsdiktatur, mehr Macht für die EU, Islamisierung der Gesellschaft, „Willkommenskultur“ und immer mehr Masseneinwanderung. Die Grünen stellen für mich so die nach dem Nationalsozialismus mühsam errungene parlamentarische Demokratie und die rechtsstaatliche Ordnung in Frage. Ich möchte mit dem grünen Kommunismus nicht mitmarschieren. Eine Gegenbewegung gibt es bereits, der Unmut wächst, die Umfragewerte der AfD steigen, und immer mehr Bürger gehen in immer mehr Städten Woche für Woche auf die Straße.






Dr. Michael Grandt, der Journalist, Jahrgang 1963, hat an zahlreichen Fernsehreportagen unter anderem für BBC, ORF, Sat 1 und Pro 7 mitgearbeitet und 27 Bücher geschrieben. Mehrfach war er auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Focus, Stern und Manager Magazin plaziert. Im Frühjahr ist sein neues Buch erschienen: „Die Grünen. Zwischen Kindersex, Kriegshetze und Zwangsbeglückung“  

Foto: Derangiertes Wahlplakat der Grünen: „Ihre Ziele haben sie immer wieder verraten, ihre Wähler haben sie an der Nase herumgeführt und sich an der Macht als willige Helfershelfer erwiesen“  

 

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