© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Grüße aus Paris
Adel verpflichtet
Albrecht Rothacher

Jahresempfang in der Deutschen Botschaft, einem edlen Palais in der Rue de Lille. Alles, was in Paris bon chic, bon genre ist, scheint auf den Beinen. Eine Bundeswehrkapelle aus Ulm, alle im Dienstgrad Hauptfeldwebel, begrüßt mit verjazzten Melodien. Zum Schluß intonieren sie das Deutschlandlied wie „Schlaf, Kindchen, schlaf“.

Zufall oder Absicht? Bundestag und Bundeswehr scheinen einen Betriebsausflug nach Paris gemacht zu haben. Bei korpulenten Obristen steht die Vielzahl der Ordenszeichen im umgekehrten Verhältnis zu den einsatzfähigen Panzern. Die Unteroffiziersdamen entfalten den Charme von LPG-Traktoristinnen. 

Herr Schäuble liest eine Rede in holperigem Französisch vom Blatt ab. Vorhersehbar preist er die deutsch-franzöische Zusammenarbeit über alles, von der Griechenlandkrise über die Haushaltssanierungen bis zum Zuwandererproblem. Gemeinsam sollten beide Länder dafür sorgen, daß die EU-Außengrenzen effektiver kontrolliert werden können. Eine löbliche, doch sehr späte Einsicht. Ein französischer Minister entgegnet ebenfalls höflich. Nichts ist von den Pariser Irritationen über Merkels Chaospolitik zu spüren. Noblesse oblige – Adel verpflichtet. Statt dessen spricht er von der hervorragenden Koordination nach dem German-Wings-Absturz.

Nachdenklichkeit nach Brezeln, Wurst, Sauerkraut, Bier und drittklassiger Marschmusik.

Die politische Klasse in Paris ist fasziniert von Deutschland, das größer und wirtschaftlich relativ  erfolgreicher ist. Es gibt in Europa für sie keinen anderen Partner. England lähmt sich selbst, Italien und Spanien sind wirtschaftlich zu schwach und mit sich selbst beschäftigt. Insofern ist Frankreich, von den Medien bis zum Mann auf der Straße, sehr deutschfreundlich geworden und beobachtet die deutsche Szene viel schärfer und aufmerksamer, als dies umgekehrt  der Fall ist. 

Allerdings irritieren deutsche Alleingänge, von Merkels Energiewende bis zu ihrer Schengenwidrigen Grenzöffnung, die in ihrer politischen Logik rational weder als langfristige politische Strategie noch als kurzfristig machtpolitisches Kalkül nachvollziehbar sind. Für beides hätte man hier Verständnis. Dazu kommt Deutschlands peinliche militärische Schwäche. Bei keinem geopolitischen Problem wird militärischen Aspekten auch nur noch die geringste Rolle zugedacht. 

So verläßt nach einstündigen Reden, drittklassiger Militärmusik und dem Genuß von Brezeln, Sauerkraut, Würstchen, Bier und Sekt die Pariser Hautevolee den Empfang doch etwas nachdenklich.