© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Atem holen für die Schlacht
Marcus Schmidt

Dieses Gefecht hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gewonnen. Am vergangenen Sonntag sah sich die amerikanische Eliteuniversität Stanford zu einer Klarstellung veranlaßt. Nein, hieß es beschwichtigend aus Kalifornien, Ursula von der Leyen habe den Namen der Hochschule nicht mißbraucht.

Damit widersprach die renommierte Institution einem Vorwurf, den zuvor dieWelt am Sonntag erhoben hatte – ebenfalls unter Berufung auf die Universität. Hintergrund für die Aufregung ist die Angabe von der Leyens im Lebenslauf auf ihrer Internetseite zu ihrem Aufenthalt in Stanford. Demnach war sie 1993 „Auditing guest an der Stanford University, Graduate School of Business“. Für 1995 ist ein „Aufenthalt an der Stanford Health Services Hospital Administration“ verzeichnet.

Auf Anfrage der Welt am Sonntag hatte die Universität Stanford diese Angabe zunächst kritisiert: Von der Leyen sei in keinem offiziellen Programm eingeschrieben, das mit einem Schein oder akademischen Abschluß abgeschlossen wird. Wer sich ohne ein solches Zertifikat in seinem Lebenslauf auf die Universität beziehe, mißbrauche den Namen Stanfords, teilte die Sprecherin der Hochschule mit.

Der Vorwurf wog schwer und sorgte im politischen Berlin für erhebliche Aufregung. Denn die amerikanische Eliteuniversität warf der deutschen Verteidigungsministerin nach dieser Lesart vor, sie habe ihren Lebenslauf zu Unrecht mit dem Renommee Stanfords aufpoliert. Es darf vermutet werden, daß von der Leyen und ihr engster Beraterkreis umgehend alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um die Sache geradezurücken – mit Erfolg.

Für von der Leyen war diese Entlastung immens wichtig. Denn für die CDU-Politikerin geht es derzeit um alles: um ihr Amt als Ministerin – und um ihre Stellung als potentielle Nachfolgerin Angela Merkels als Bundeskanzlerin. Bereits seit Wochen ist von der Leyen schwer unter Druck. Die Internetplattform Vroniplag wirft ihr vor, sie habe ihre 1990 vorgelegte medizinische Dissertation teilweise bei anderen Autoren abgeschrieben. „Bisher wurden auf 27 von 62 Seiten Plagiatsfundstellen dokumentiert. Dies entspricht einem Anteil von 43,5 Prozent aller Seiten“, hieß es am Dienstag auf der Intersetseite der Plagiatsjäger zum aktuellen Stand der Überprüfung.

Von der Leyen hat die Vorwürfe bislang immer zurückgewiesen. Bereits Ende August, als sie erstmals davon erfahren habe, daß sie in das Visier von Vroniplag geraten war, habe sie die für ihre Promotion zuständige Medizinischen Hochschule Hannover, an der sie von 1980 bis 1987 studiert hat, um eine Überprüfung ihrer Dissertation gebeten.

Ursula von der Leyen ist bewußt, daß ihre weitere politische Karriere vom Votum der Hochschule abhängt. Wird ihr der Doktortitel aberkannt, wäre sie als Verteidigungsministerin kaum noch zu halten – der Weg in das Kanzleramt wäre ihr wohl auf jeden Fall versperrt. Die Schlacht ist für die Ministerin also  noch lange nicht vorbei.