© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Frisch gepresst

Geschlechterirrsinn. Wieder keine Katzen, wieder kein Roman. Der Bestsellerautor Akif Pirincci ist von den irritierten oder gar strafenden Blicken vieler Felidae-Fans, die ihn nach seinen wüsten, aber um so treffsichereren Kolumnen im Blog „Achse des Guten“ und erst Recht nach seiner Philippika gegen „den irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ von 2014 trafen, noch immer nicht kuriert. Allein mit dem Titel seines brandneuen Werkes provoziert „Onkel Akif“ vorsätzlich stichelnd, daß er alle Speere verbissener Querulanten einschlägiger Lobbygruppen auf seine Brust zieht. Dabei sind Schwule gar nicht sein primäres Thema. Vielmehr nimmt er in gewohnt rotziger und kalkuliert den Gossenjargon einsetzender Rhetorik den „normalen“ Kampf der Geschlechter zwischen Schule, Beruf und Bett aufs Korn, der völlig aus dem Ruder gelaufen sei. Eingeschüchtert durch einen jahrzehntelangen Feminismus (natürlich von „grün-links versifften Medienschimpansen“ sekundiert) sei der Mann immer mehr auf dem Weg zum lila Pudel, der in der Zukunft weder als Reproduzent und schon gar nicht als Verteidiger seiner Gesellschaft gegen testosteronstrotzende Neubürger etwas tauge. (bä) 

Akif Pirincci: Die große Verschwulung. Wenn aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer. Manuscriptum Verlag, Waltrop 2015, gebunden, 272 Seiten, 17,80 Euro




Churchill. Eines gleich vorweg: Eine klassische Biographie hält nicht in den Händen, wer sich Boris Johnsons „Churchill-Faktor“ zulegt. Daß sich Londons Bürgermeister dem britischen Kriegspremier nicht kritisch distanziert, sondern voller Bewunderung nähert, verhehlt er nicht. Gegen den Trend, Geschichte als Abfolge anonymer gesellschaftlicher Entwicklungen zu sehen, setzt Johnson am Beispiel Churchills das klare Verdikt: Ein Mann kann den Unterschied ausmachen. Dabei muß man Johnsons Enthusiasmus nicht in jedem Punkt teilen, etwa wenn es um die Bewertung des Wirkens als Kolonialminister im Nahen Osten geht. Aber Sympathie weckt allein die Kritik des exzentrischen Torys Johnson an der Geschichtsvergessenheit seiner Zeitgenossen oder an der Tendenz, die historische Person Churchill mit modernen Maßstäben zu messen, zu „pasteurisieren“. Das alles ist unterhaltsam, zuweilen anekdotenreich und mitreißend geschrieben; das wiederum macht Johnsons Buch eben doch zu einer „echten“ britischen Biographie. (vo)

Boris Johnson: Der Churchill-Faktor. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015, gebunden, 472 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro