© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Blick in die Medien
Keine Lust auf Facebook
Tobias Dahlbrügge

Nur Personal muß immer erreichbar sein, heißt es in durchlauchten Kreisen. Permanente Erreichbarkeit ist eher Fluch als Segen. Doch sehen das junge Menschen nicht genau umgekehrt? Können die ohne Dauerverfügbarkeit ihrer sozialen Medien überhaupt leben?

Die Studie eines amerikanischen Technologie-Investors zeigt, daß die Zahlen der angemeldeten Teilnehmer, die ständig neue Jubelrekorde brechen, nicht die tatsächliche Nutzung sozialer Medien abbilden.

27 Prozent der jungen Erwachsenen bis Jahrgang 1980 nutzen Facebook „höchstens einmal pro Woche“. Mehr als jeder zehnte der Befragten zwischen 20 und 25 Jahren ist schon wieder aus Facebook und Co. ausgestiegen oder hat sich gar nicht erst angemeldet. Zwölf Prozent der bei Twitter registrierten Nutzer bis 35 Jahre twittern nur alle zwei Wochen; fast ein Fünftel so gut wie nie. Damit sind die Account-Zahlen ähnlich abstrakt wie die TV-Quote.

Neuerdings wird auch die Immer-Anwesenheit in sozialen Medien als Freizeitstreß bewertet. 

Mit dem Alter verringert sich zudem das Interesse an neuen sozialen Kanälen. Die Hälfte der über Dreißigjährigen ist nicht bei Instagram aktiv, drei Viertel haben keine Lust auf Snapchat. „Ich bin schon bei Facebook, das reicht jetzt auch“, sagt sich die „Generation X“ anscheinend, trotz grundsätzlicher Technikaffinität.

Früher wurde berufliche Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit als Zwang und Zumutung angesehen, während privates Permanent-Online-Sein als Freizeitvergnügen empfunden wurde. Neuerdings wird auch die private Immer-Anwesenheit in sozialen Medien zunehmend als Freizeitstreß bewertet; es tritt häufiger eine Übersättigung ein.

Nichterreichbarkeit wird nach den Urhebern der Studie nicht länger ausschließlich als Rückständigkeit, sondern als erstrebenswerter Luxus betrachtet. Inwieweit auch negative Erfahrungen mit Konsequenzen durch Facebook-Freunde und -Einträge (Stichwort: die Stasi-Akte zum Selberschreiben) bei der neuen Unlust auf soziale Medien eine Rolle spielen, wurde nicht erhoben.