© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Nun ist guter Rat teuer
Katalonien: Trotz Wahlgewinn – das Bündnis „Gemeinsam für das Ja“ steht vor schwierigen Aufgaben
Michael Ludwig

Als der amtierende katalanische Ministerpräsident, Artur Mas, am Sonntag abend in Barcelona vor seine jubelnden Anhänger trat, wirkte sein Gesicht alles andere als fröhlich, im Gegenteil. „Man sah ihm an, daß er sich Sorgen machte – der Kontrast zwischen ihm, der von inneren Spannungen gezeichnet war, und dem Verhalten seiner siegestrunkenen Independistas war nicht zu übersehen“, schrieb der Reporter der Tageszeitung El País.

 Kein Wunder, denn das Wahlergebnis in der bevölkerungsreichen und industriell wichtigen Provinz Katalonien, die sich vom spanischen Mutterland abspalten will, hätte komplizierter nicht ausfallen können.

Zum einen: Die Listenverbindung Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja), zu der sich die bürgerliche Convergència Democràtica de Catalunya (CDC) unter Mas und die linksrepublikanische Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) unter Oriol Junqueras zusammengeschlossen haben, verfehlte mit ihren 62 Sitzen die absolute Mehrheit (68 Sitze) im katalanischen Parlament. Sie sind auf die zehn Mandate der neomarxistischen CUP angewiesen, um die notwendige Mehrheit zum Regieren und damit zur  Loslösung von Spanien zu erreichen. 

Diese Kombination bietet allerdings reichlich politischen Sprengstoff. Noch am Wahlabend betonte CUP-Parteichef Antonio Baños, zwar die Unabhängigkeitsbestrebungen von CDC und ERC zu unterstützen, Mas aber als Regierungs-chef keinesfalls mitzutragen. Nun ist bei Junts pel Sí guter Rat teuer.

Zum anderen: Die Unabhängigkeitsbefürworter Kataloniens haben zwar die Wahl anhand der Mandate gewonnen, nicht aber an Zahl der Stimmen. Für die Sezession sprachen sich 47,8 Prozent aus, 51,7 Prozent votierten dagegen.

 Die konservative Regierungspartei in Madrid, der Partido Popular, wertete dieses Ergebnis als ein Scheitern der Abspaltungspolitik. Auch der Madrider Oppositionsführer Pedro Sánchez von der sozialistischen Arbeiterpartei (Partido Socialista Obrero Español, PSOE) betonte: „Die Separatisten haben das Plebiszit über die Unabhängigkeit ihrer Provinz verloren.“

 Artur Mas und die Seinen sehen das naturgemäß anders. Sie argumentieren, daß eine Volksbefragung wie in Schottland auch eine Stimmenmehrheit für die Loslösung Kataloniens von Spanien gebracht hätte. Dieses Plebiszit war jedoch vom Verfassungsgericht als illegal bewertet und folglich verboten worden.

Madrid droht unbotmäßigen  regionalen Präsidenten

Wie geht es nun in Barcelona weiter? Mas hat bereits angekündigt, den Weg in die Unabhängigkeit konsequent zu verfolgen. So sollen in den nächsten 18 Monaten staatliche Strukturen aufgebaut und eine katalanische Verfassung ausgearbeitet werden. Sollte die Bevölkerung sie annehmen, erklärt sich Katalonien unabhängig und ruft einen eigenen Staat aus. 

Den Radikalen von CUP geht das allerdings nicht schnell genug. Sie haben bereits zum zivilen Ungehorsam gegenüber der Madrider Zentralregierung aufgerufen. Die „ungerechten Gesetze“ aus Madrid könnten ab sofort von den Katalanen „mißachtet“ werden, unterstrich Antonio Baños. Über Twitter verbreitete er süffisant: „An den spanischen Staat, ohne Groll: Auf Wiedersehen.“

Madrid bleibt jedoch nicht untätig. Am vergangenen Dienstag stand im nationalen Parlament ein Gesetz zur Verabschiedung, das dem Verfassungsgericht größere Kompetenz zuspricht. Es versetzt die Richter in die Lage, einen unbotmäßigen regionalen Ministerpräsidenten seines Amtes zu entheben, falls sich dieser nicht an die Verfassung hält. Bislang war dieser Schritt zwar ebenfalls möglich, aber einem ausgesprochen komplizierten und damit zeitraubenden Verfahren unterworfen.

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