© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Politik für die Straße
AfD: Parteichefin Frauke Petry gratuliert der FPÖ und ruft zu Demonstrationen auf
Marcus Schmidt

Um 16.23 Uhr am vergangenen Sonntag hatte AfD-Chefin Frauke Petry für ihre Anhänger eine kleine Überraschung parat. Über Facebook und Twitter gratulierte sie der Freiheitliche Partei Östereichs (FPÖ) zum Wahlerfolg in Oberösterreich (siehe Seite 10). „Glückwunsche nach Österreich. Grandioser Wahlsieg der FPÖ“, schrieb Petry und erntete dafür im Internet viel Zustimmung. Denn unter dem früheren Parteichef Bernd Lucke war die AfD bewußt auf Distanz zur FPÖ geblieben. 

Jetzt sagte Petry der JUNGEN FREIHEIT: „Der anhaltende politische Erfolg der FPÖ in Österreich ist auch ein klares Signal an die deutsche Regierung, daß sich Völker auf Dauer eine Aushöhlung der nationalen Souveränität und eine gezielte Zurückstellung der Interessen der eigenen Bürger, beispielsweise hinter eine fehlgeleitete Asylpolitik, auf Dauer nicht gefallen lassen.“ Insofern sei der FPÖ-Erfolg für die AfD in Deutschland sehr wichtig.

Von den Ergebnisen, die die FPÖ einfährt, kann die AfD indes nur träumen. Zwar profitiert auch sie derzeit von der Asylkrise. In den jüngsten Umfragen von Insa und Emnid kommt die AfD erstmals wieder seit Monaten auf sechs Prozent. Doch anders noch als im vergangenen Jahr, als Lucke und auch Petry häufiger in Talkshows auftreten konnten, hat es die Partei schwerer, ihre Positionen in die Medien und damit unters Volk zu bringen. 

Nun hat die AfD die Straße für sich entdeckt. Bereits zum drittenmal rief sie für diesen Mittwoch in Erfurt zu einer Demonstration auf. In der vergangenen Woche waren dem Aufruf von Fraktionschef Björn Höcke rund 5.000 Demonstranten gefolgt. Und auch in Dresden will die AfD nun regelmäßig auf die Straße gehen – trotz Pegida. „Als Konkurrenz zu Pegida sehen wir uns schon aus dem Grund nicht, weil viele Pegida-Anhänger ebenfalls auf unsere Demonstrationen kommen“, sagte sie der JF. „AfD und Pegida unterscheiden sich grundsätzlich darin, daß wir – die AfD – eine politische Partei sind und Pegida eine wichtige Bürgerbewegung ist.“ Der AfD gehe es bei den aktuellen Demonstrationen zuerst darum, dem Bürger deutlich zu machen, daß die Politik versage, beispielsweise bei der Asyl- und Europolitik. „Nicht der Asylbewerber, der hier ein besseres Leben sucht, trägt die Schuld an der Misere, sondern die Politiker, die Gesetze nicht einhalten und zögerlich bis überhaupt nicht auf die aktuelle Entwicklung reagieren“, verdeutlichte die AfD-Chefin. „Diesen Protest bringen wir auf die Straße, auch deshalb, weil viele Medien wenig bereit sind, über unsere politischen Ziele vorurteilsfrei zu berichten.“

Fraktion in Hamburg wehrt sich gegen Ausgrenzung

Auch abseits der AfD-Hochburgen im Osten scheint sich die Stimmung für die Partei weiter aufzuhellen. „Wir erleben einen Zuspruch wie nie“, sagt Petr Bystron, der am kommenden Wochenende für den AfD-Vorsitz in Bayern kandidiert der JF. Nach der Spaltung der Partei in Essen war die Zahl der Mitglieder im Freistaat von 3.000 auf derzeit knapp 2.500 abgesackt. Viele Funktionäre, darunter fast der komplette Landevorstand  hatten die Partei verlassen. Mittlerweile  verzeichne die bayerische AfD allerdings wieder mehr Ein- als Austritte, berichtet Bystron, der eine „stille Euphorie“ in der Partei ausgemacht hat.

Mit einer gewissen Spannung wird in der AfD dagegen nach Hamburg geschaut. Dort wählt der Landesverband am Wochenende eine neue Parteispitze. Der bisherige Vorsitzende, Jörn Kruse, der auch die Bürgerschaftsfraktion der AfD führt, hatte nach dem Parteitag in Essen seinen Rücktritt angekündigt und war auf deutliche Distanz zur Bundespartei gegangen. In Essen sei „die Bundes-AfD stark nach rechts gerückt“, begründete der Wirtschaftswissenschaftler der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität, der als Anhänger Luckes gilt, seinen Schritt. „Es ist für mich völlig klar, daß ich eine solche Bundespartei in der Öffentlichkeit nicht repräsentieren kann und will“, hatte Kruse in seiner Rücktrittserklärung geschrieben und damit seinen Verzicht auf den Landesvorsitz begründet. Für die AfD in der Hansestadt, in der er viele Freunde habe, bestehe dagegen noch Hoffnung. „Die Hamburger AfD kann sich vom negativen Bundestrend abkoppeln, wenn sie seriös und bürgerlich bleibt – und wenn sie auf dem folgenden Parteitag einen fähigen Landesvorstand wählt.“ Mit anderen Worten: Kruses könnte austreten, sollte der neue Parteivorstand nicht auf seiner Linie liegen. 

Dabei sind vor allem die acht AfD-Abgeordneten in der Bürgerschaft auf Einigkeit angewiesen. Denn sie sehen sich einer geschlossenen Front aus SPD, CDU, Grünen, FDP und Linkspartei gegenüber. Ihre Macht ließen die etablierten Parteien die AfD vor allem bei der Besetzung der Parlamentskomissionen spüren. Bei den Wahlen fielen die Kandidaten der AfD regelmäßig durch. Den Platz im Beirat für politische Bildung konnte die AfD erst besetzen, nachden sie den Kandidaten zweimal ausgetauscht hatte. Immer noch unbesetzt ist dagegen der Sitz der AfD in der Härtefallkommission, die für asylrechtliche Härtefälle zuständig ist. Hier lehnten die anderen Parteien die wechselnden Kandidaten bislang immer ab. 

Am Dienstag legte die Fraktion daher ein Gutachten des Freiburger Verfassungsrechtlers Dietrich Murswiek vor. Dieser kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die AfD habe im Sinne des Repräsentationsprinzips einen Anspruch auf den Sitz in der Komission. Die Parlamentsmehrheit handele verfassungswidrig, „wenn sie die von einer Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten allein deshalb ablehnt, weil dieser einer bestimmten Fraktion angehört“. Die AfD hofft nun darauf, daß die anderen Parteien einlenken. Wenn nicht, will sie gegen die Ausgrenzung klagen.