© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Dramatische Bestandseinbrüche
Artenschwund in Europa: Eine Erholung ist überhaupt nicht in Sicht
Christoph Keller

Der „Artenschutzreport 2015“, den das Bundesamt Ende Mai zeitgleich mit dem Bericht „State of Nature“ der Europäischen Umweltagentur vorgelegt hat und der im Juni durch die Rote Liste der Vögel der EU ergänzt wurde, sollte nach Einschätzung Eckhard Jedickes, des Herausgebers von Naturschutz und Landschaftsplanung, die politisch Verantwortlichen in höchsten Alarmzustand versetzen (Heft 6/15).

Worauf schon viele kritische Zwischenbilanzen der letzten beiden Jahre hindeuteten, lassen diese Reporte zur Gewißheit werden: Die EU und Deutschland sind noch weit von ihrem (global gegebenen) Versprechen entfernt, bis 2020 den Artenschwund zu stoppen und eine Erholung einzuleiten. Wenn es nicht umgehend „grundlegende zusätzliche Anstrengungen“ gebe, werde das Ziel sicher verfehlt.

Daß die Schere zwischen Gewinner- und Verliererarten immer weiter auseinanderklaffe, sei die am meisten beunruhigende Botschaft des EU-Berichtes, der auf der Auswertung von 28 nationalen Artenschutz-Bilanzen basiere. Es gebe einige Arten, die vom Naturschutz profitierten, und besonders die Vogelschutzrichtlinie und das europäische Natura-2000-Netzwerk wiesen meßbare Erfolge aus. Aber zu viele Arten nähmen rapide ab – wegen einer kontraproduktiven Agrarpolitik, mangelhafter Durchsetzung oder karger Finanzierung von Schutzmaßnahmen.

Während der Anteil der Arten, die in einem günstigen oder vor dem Aussterben sicheren Zustand sind, im Vergleich zu 2010 unverändert blieb, wächst der Anteil der Arten, deren Bestand sich verschlechterte – bis hin zu „dramatischen Bestandseinbrüchen“. Ein Drittel aller Vogelarten in der EU ist gefährdet, davon die Hälfte akut bedroht, während die andere Hälfte auf der „Vorwarnliste“ steht. 60 Prozent aller Arten sind in einem schlechten oder unzureichenden Zustand, nur ein Viertel in einem günstigen. Besonders auf dem Land sind Rückgänge jener Arten zu registrieren, deren Bestand nur durch nachhaltige Landwirtschaft stabilisiert werden könnte.

Ungeachtet einiger fischereibiologischer Erfolgsmeldungen aus jüngster Zeit gibt der EU-Report auch an der Meeresfront keine Entwarnung, da der Artenschwund durch Überfischung und umweltfeindliche Fangtechniken fortschreite. Geradezu katastrophale Entwicklungen vollzögen sich bei Habitattypen in Gewässern und Feuchtgebieten. Und der gefährlichste Feind der Biodiversität bleibe die intensive Landwirtschaft.


 Artikel „Natur-Zustand in der EU ­alarmierend“ als PDF unter www.nul-online.de/

 EU-Bericht „State of Nature“: www.eea.europa.eu