© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

„Ein günstiges Preisniveau für Nachkäufe“
Interview: Die Edelmetallhändler Tobias Scherer und Stefan Pichler über das Goldgeschäft und die Höhen und Tiefen der Nachfrage
Wolfhard A. H. Schmid

Herr Pichler, wer 2012 eine Unze Gold gekauft hat, mußte dafür über 1.350 Euro hinblättern. Vorige Woche waren es nur noch 1.000 Euro. Der Goldkäufer hat also ein Drittel Verlust gemacht. Wer zeitgleich für 7.500 Euro einen Dax-Fonds kaufte, kann sich heute über 10.000 Euro freuen. Warum wird dennoch Gold gekauft?

Pichler: Die meisten Kunden sehen im Edelmetall eine langfristige Kaufkraftabsicherung und die Spekulation mit Wertpapieren nur als kurzfristigen Vorteil.

Scherer: Sie sind an einem sicheren Hafen interessiert. Kunden, die im Herbst 2012 bei uns ihr Gold kauften, kommen noch heute wieder. Sie sind uns wegen des seit 2012 gegebenen Wertverlustes nicht böse, sondern nutzen vielmehr das günstigere Preisniveau für Nachkäufe. 

Weder die Griechenlandkrise noch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken haben den Goldpreis wieder erhöht.

Pichler: Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Inwieweit kurzfristige Spekulanten eine Rolle spielen, ist schwer zu sagen. Viele haben ihr Gold in andere Papierwerte getauscht und so ihre Edelmetalle abgestoßen. Dies hat anscheinend ebenfalls dazu beigetragen, daß sich der Edelmetallmarkt normalisiert hat. 

Was ist beim Goldkauf zu beachten?

Scherer: Gold zur Kapitalanlage ist generell steuerbefreit. Je kleiner die Einheit ist, desto größer ist allerdings auch das Aufgeld auf den reinen Goldwert. Generell sind daher 100-Gramm-Barren günstiger als solche mit zehn Gramm. Münzen und Barren sind beide handelbar.

Sind Silber und Platin eine Alternative?

Pichler: Beide Edelmetalle werden im Handel mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet. Trotzdem ist Silber eine Alternative, denn 90 Prozent der Silberherstellung werden in der Industrie benötigt. Die Steuer beträgt bei Münzen rechnerisch etwa 7,2 Prozent. Bei Platin ist die Schere zwischen An- und Verkauf hingegen sehr groß.

Sie haben berufliche Erfahrung in Banken gesammelt. Warum haben Sie sich als Edelmetallhändler selbständig gemacht?

Pichler: Das Edelmetallgeschäft muß ehrlich sein, um einen langfristigen Kundenstamm aufzubauen. 

Scherer: Bei den Banken stehen die Berater immer unter internem Erfolgsdruck. Als unabhängiges Handelsunternehmen haben wir den Vorteil, frei entscheiden zu können.

Woher kam ihr Gründungskapital?

Scherer: Der Anfang unseres Unternehmens begann im Januar 2009 mit dem eBay-Handel. Anfangs haben wir jeden Cent Gewinn ins Unternehmen gesteckt. Dazu kamen hunderttausend Euro aus dem familiären Vermögen, und nach zwei Jahren harter Arbeit hatten wir uns einen guten Namen geschaffen.

In den Wirtschaftsmedien werden täglich die Edelmetallankaufs- und Verkaufspreise basierend auf der Londoner Edelmetallbörse angegeben. Welcher Spielraum bleibt da, um wettbewerbsfähig zu sein?

Scherer: Wegen unseres vergleichsweise geringen administratorischen Aufwands gegenüber den Banken können wir sehr günstige Verkaufspreise sowie hohe Ankaufspreise anbieten. Gegenüber anderen Online- und Laienshops ist unsere Eigenfinanzierung, Flexibilität und Beratung des Kunden direkt in unserem Ladengeschäft in München ein zusätzlicher Vorteil.

Inzwischen sind Sie mit über 20.000 Bestellungen und einem Jahresumsatz von 165 Millionen Euro einer der größten europäischen Edelmetallhändler.

Scherer: Mittlerweise haben wir einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro. Früher bewegte sich die Marge zwischen An- und Verkauf bei vier bis zehn Prozent, heute sind es wegen der Konkurrenz allerdings nur noch ein bis drei Prozent. Von den Fachmedien wird der Edelmetallmarkt schon beachtet, von der Tagespresse aber weniger.

Ist das ein Vorteil für den Goldmarkt?

Scherer: Derzeit besitzen etwa fünf Prozent der deutschen Bürger physische Edelmetalle. Das Potential einer Umschichtung von Vermögen ist hier enorm. Ich sehe es als einen Vorteil für alle Anleger, die bereits investiert sind. 

Im Februar gab es in Köln und Berlin eine Großrazzia mit 120 Polizeibeamten und fünf Ermittlern der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in 19 Objekten der Firmen BWF und des Bundes Deutscher Treuhandstiftungen, die unter dem Motto „Clever investieren in BWF-Gold“ warben. Den Investoren sei Gold zu einem Wucherpreis verkauft und zudem sei ein Teil der Anlagegelder in Immobilien geflossen. Ihr Unternehmen wird in der Fachpresse wegen seiner günstigen Einkaufspreise sehr gelobt. Was unterscheidet Sie von den großen Marktführern und ihren mittelständischen Wettbewerbern?

Scherer: Bei uns steht neue Ware noch am gleichen Tag zur Verfügung. Bei unseren großen Warenbeständen erfolgt der Versand innerhalb von ein bis zwei Tagen sehr schnell. Mit unserem Netzwerk können wir ebenfalls sehr schnell kommunizieren, welche Ware neu oder gebraucht zur Verfügung steht. Dies wird den interessierten Kunden entsprechend über per Internet mitgeteilt.

Bei Münzen und Barren gibt es auch Qualitätsunterschiede. Sie beziehen daher ihre Goldbarren von dem traditionsreichen Hanauer Goldbarrenhersteller Heraeus.

Scherer: In unserem Geschäft ist Vertrauen die Nummer eins! Wir kooperieren nur mit ausgewählten und geprüften Handelspartnern. 

Viele Kunden deponieren ihre Münzen oder Barren in Banksafes. Oder gibt es bessere Sicherheiten?

Scherer: Das ist schwer zu beantworten. Eine Bank bietet eine gewisse Sicherheit gegen Diebstahl, aber sonst? Es gibt auch private Einlagefirmen. Kunden von uns bieten wir ab einem Anlagevermögen von 5.000 Euro eine kostenlose Einlagerung bis zu einem halben Jahr. Danach wird ein jährlicher Versicherungsbetrag 0,25 bis 0,5 Prozent fällig.

Der Fiskus sucht neue Einnahmequellen. Wann kommt der Goldanleger ins Visier?

Pichler: Ich glaube, daß es keine Änderungen geben wird, weil der Staat da keinen Zugriff hat. Was Spekulationsgeschäfte mit Gold anbetrifft, sind diese bisher nach einem Jahr steuerfrei. Ob es da Änderungen geben wird, ist fraglich.

Wie sehen Sie die Zukunft im Edelmetallhandel? Wie wird sich die weltweite Verschuldung der großen westlichen Staaten auf den Edelmetallhandel auswirken?

Scherer: Die Nachfrage ist derzeit verhalten. Wir sind uns allerdings sicher, daß sie künftig stark steigen wird. Deswegen haben wir auch in neue Gebäude investiert. 

Nach dem Platzen der New-Economy-Blase 2000 und Lehman-Pleite 2008 sackten die Aktienkurse in den Keller. Gold war hingegen in einem kontinuierlichen Aufwärtstrend. Seit 2012 hat sich dies scheinbar umgekehrt. Sie prognostizieren dennoch einen Börsencrash und in Folge dessen eine starke Umschichtung von Aktien in physische Edelmetalle? 

Scherer: Einen Vorgeschmack durften wir schon 2010/2011 zum Beginn der Griechenlandkrise erleben.

Die Bundesbank weist einen Goldbestand von 3.391 Tonnen aus. Nur 31 Prozent davon lagern in Frankfurt – der Rest in New York, London und Paris. Bis 2020 soll die Hälfte der deutschen Goldreserven wieder im Inland lagern. Die Bundesbank begründet ihr geändertes „Lagerstellenkonzept“ mit „Transparenz“ und „Vertrauensbildung“.

Pichler: Ich glaube, daß Deutschland gegenüber den USA politische Verwerfungen vermeiden wollte und die Bundesbank erst unter dem großen Druck reagiert hat. Wir würden es aber begrüßen, wenn die nächsten Monate und Jahre Stück für Stück mehr Gold „nach Hause“ geholt wird.

Auragentum GmbH:  www.auragentum.de

Tobias Scherer, Jahrgang 1984, ist gelernter Bankkaufmann. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Auragentum GmbH in Erding und München.

Stefan Pichler, Jahrgang 1984, studierte BWL und ist für die Betreuung internationaler Handelspartner, Banken und Großkunden verantwortlich.