Tiefe Ratlosigkeit spricht aus dem Karlsruher Beschluß vom vergangenen Freitag: Kann oder will der Hamburger Senat das Recht unliebsamer Leute nicht schützen und durchsetzen, wenn dagegen  Krawalle linksextremer „Autonomer“ drohen? Die Verfassungsrichter halten mit ihrem Argwohn nicht hinter dem Berg, der SPD-Senat ziehe sich vorschnell auf den „polizeilichen Notstand“ zurück, um einen an sich rechtmäßigen Aufzug sogenannter „Patrioten“ zu verbieten und sich selbst den Konflikt mit linken Chaoten zu ersparen. Allerdings lasse sich das in den wenigen Stunden eines Eilverfahrens nicht seriös prüfen, weshalb die drei Richter dem so offensichtlich schiefen Verbot am Ende – zähneknirschend – ihren Segen gegeben haben.
Tatsächlich erlebte Hamburgs Innenstadt dann am Samstag die maßlose Gewalt linksextremer Chaoten ... „Wir wollen hier keine Nazis, wir brauchen keine Hooligans und Rassisten“, hatte vor 7.500 gutgesinnten Menschen der Bürgermeister auf der Gegenveranstaltung „Hamburg bekennt Farbe“ verkündet. Freilich war der Gegner schon tags zuvor rechtlos gestellt und verscheucht worden. Man darf wohl annehmen, daß diese Szenen in der Hansestadt kaum dazu angetan sind, die Skrupel der Karlsruher Richter zu beheben.

Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg