© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/15 / 11. September 2015

Das Dahintreiben in einer Wartehalle
Tabea Mußgnug über die Suche nach dem Ernst des Lebens in der Zeit nach dem Studium
Friederike Hoffmann-Klein

Das Leben an der Uni ist irgendwann einmal vorbei. Aber wohin geht man danach? Tabea Mußgnugs Buch „Nächstes Semester wird alles anders …“ handelt von der Ungewißheit, die nach der Uni-Zeit kommt, der schwierigen Suche nach einem festen Arbeitsverhältnis, die auch im Zeitalter des „Fachkräftemangels“ keineswegs einfacher geworden ist. Aber es ist nicht allein das. Es geht auch um eine Generation, der es schwerfällt, erwachsen zu werden. Die Autorin beschreibt „die Angst, irgendwo ankommen zu müssen“, während man gleichzeitig „genug hat vom Dahintreiben“. 

Nicht zu wissen, wie es weitergeht, macht Angst. Die mit der Ungewißheit verbundene Offenheit lähmt. Irgendwann wird die Verzweiflung über die vielleicht nur imaginierte Ausweglosigkeit so stark, daß man sich tatsächlich nicht mehr bewegen kann. „Seit 10.57 Uhr tue ich nichts. Davor habe ich einen mittelmäßigen Krimi fertiggelesen. Ich muß heute noch die Wäsche machen, und das ginge auch noch morgen. Ansonsten habe ich keine Pläne.“ Das klingt tatsächlich nicht verlockend. 

Warum dann aber die Angst, sich festzulegen? Wäre das nicht schon eine Verbesserung gegenüber dem soeben beschriebenen Zustand? Frühere Generationen kannten diese Angst, die die Autorin beschreibt, offensichtlich in weit geringerem Umfang. „In meinem Alter waren meine Eltern schon sechs Jahre verheiratet, meine Oma hatte mit 26 drei Kinder. Ich fühle mich schon eingeengt, wenn ich mich für den Uni-Schwimmkurs fürs ganze Semester anmelden muß“, bemerkt sie. Mußgnugs Erzählung ist humorvoll und munter geschrieben. Reflektiert und präzise beschreibt sie diesen Zustand der Ungewißheit gegen Ende des Studiums, von dem man genervt ist. Gleichzeitig ist es eine besondere Zeit. „Das Jetzt ist eine große lange Wartehalle“, schreibt sie. 

Uni-Leben und wirkliches Leben stehen in einem Gegensatz. Man ist, wenn das Studium seinem Ende entgegengeht, „irgendwo dazwischen“, gehört nicht mehr richtig hierher, will aber auch nicht weg. Man kann sich vorstellen, wie es sein wird, wenn man von Montag morgen bis Freitag abend arbeitet, wenn „auch die Wochenenden zusammengeschrumpft sind zu tatsächlichen Wochenenden“. „Ich werde dann den Tatort gucken und mich vor Montag gruseln und die Zeit zurücksehnen, in der ich keinen geregelten Wochenablauf hatte.“ Die Universität – ein Biotop. Nicht ganz die wirkliche Welt. Und dann die lästige Frage, der sich die Autorin als promovierte Geisteswissenschaftlerin ständig gegenübersieht: „Und was macht man dann damit?“ Diese Frage ist so nervend, daß sie Altersgenossen beneiden könnte, die nicht studiert haben, dafür aber bereits im wirklichen Leben angekommen sind. „Das Altern an einer Uni ist hart und macht keinen Spaß.“ 

Ihr jetziger Aushilfsjob in einem Archiv ist sicher nicht das traumhafte Job-angebot, das sie sich gewünscht hätte. Dabei hat sie so viele Bewerbungen geschrieben, „Fließbandbewerbungen“, die sie humorvoll schildert: „Ich kann mir nicht mehr merken, wo ich mich überall beworben habe.“ Die vielen Beschreibungen des Uni-Lebens, bei denen man sich manchmal fragt, ob sie wirklich zum Thema gehören, sind eine Art persönlicher Rechenschaft. Sie versucht darin, die Diskrepanz zu ergründen zwischen dem, was die Hochschule erwarten läßt, und dem, was manchmal eben nicht danach kommt. 

Mitunter spannt sie den Bogen um das Thema sehr weit, nicht alles, was sie anspricht, ist ganz unmittelbar relevant, auch wenn es unterhaltsam ist, etwa wenn sie ausführlich das Leben in einer Studenten-WG beschreibt. „Eigentlich doch ganz traditionell“ zu sein, nicht nur ein ausschweifendes, experimentelles Leben zu führen, gilt ihr fast als verdächtig. Und dann gibt es noch den Gedanken an Kinder, irgendwann. 

Die Angst einer Generation, sich irgendwo festzulegen

Gleichzeitig die Angst ihrer Generation, sich irgendwo festzulegen. Deshalb auch die ständigen Partys, das Trinken, eine im Grunde unverständliche Welt der Zeitverschwendung. In den Tag hineinleben. Stark beeinflußt ist die Autorin natürlich – wie es heutzutage an der Uni sicher die Regel sein wird – von der Genderi-Ideologie. Gleichwohl hat sie sich auch hier einen Rest common sense bewahrt, was erfrischend ist, weil es einen gewissen Gegensatz zu der „links-liberalen Uniwelt“ darstellt.

Das Ende ist schön konzipiert, sie besucht in dieser Zeit der Unbestimmheit ihre Eltern, geht mit ihrer Cousine aus, die in einer ganz anderen Situation lebt. Diese steht im Beruf, ist verheiratet, hat eine kleine Tochter. Sie besuchen gemeinsam eine Disko, in der Mußgnug das letzte Mal mit 18 Jahren war. Sie hätte nie gedacht, hier noch einmal herzukommen. Es könnte fast so aussehen, als seien die anderen weitergekommen und nur sie selbst „stehengeblieben“. Und genau in dieser Umgebung erfaßt sie plötzlich ein Gefühl der Zuversicht. Sie wird optimistisch, gelöst. „Es wird sich wohl alles fügen.“

So kann die Autorin zwar die Frage „Was kommt danach?“ immer noch nicht beantworten. Gleichwohl liegt diese neu gewonnene Gelassenheit ein ganzes Stück entfernt von der resignativen Haltung, die sie zu Anfang ihres kleinen Ratgebers beschreibt.

Tabea Mußgnug: Nächstes Semester wird alles anders … Zwischen Uni und Leben! Für alle, die denken, sie bräuchten einen Plan. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015, broschiert, 208 Seiten, 9,99 Euro