© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/15 / 11. September 2015

Angst vor bürgerkriegsähnlichen Szenen
Hamburg II: Trotz Verbots einer geplanten Demonstration von Rechtsextremisten rechnen die Behörden am Wochenende mit Zusammenstößen mit Linksextremisten
Michael Johnschwager

Die Erinnerungen an die gewalttätigen Ausschreitungen bei der Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ im Oktober vergangenen Jahres in Köln sind noch frisch. Ein ähnliches Szenario könnte am Wochenende Hamburg erwarten. Für Sonnabend haben Angehörige des rechtsextremen Lagers zu einer Großdemonstration aufgerufen. Sie trägt den Namen „Tag der deutschen Patrioten“ und ermuntert ihre Anhänger mit dem Aufruf: „Gemeinsam sind wir stark“. Längst mobilisieren auch die Linksextremisten zu einer Gegendemonstration. 

In Hamburg weckt dies ungute Erinnerungen. Drei Jahre sind ins Land gegangen, seitdem die Hansestadt eine ähnliche Demonstration erlebte (JF 24/12). Damals sorgten gewalttätige Ausschreitungen militanter Linksextremisten für teilweise bürgerkriegsähnliche Szenen. Dabei brachen die Krawalle unerwartet über die Bewohner des Stadtteils Eilbek herein. Das bürgerliche Viertel gilt sonst nicht als Terrain für radikale Umtriebe. Es bedurfte eines massiven Polizeieinsatzes, um die Ordnung wieder herzustellen.

Die für das Wochenende angekündigte Demonstation setzt vor diesem Hintergrund die Ordnungskräfte unter besonderen Zugzwang, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um erneute Straßenschlachten zu verhindern. Die Erkenntnisse aus dem Tumult des Sommers 2012 sollten den Sicherheitsbehörden helfen, eine Wiederholung des Chaos mit massiver Polizeipräsenz zu verhindern. Die Polizeiführung der Elbmetropole hat dann auch schnell zu erkennen gegeben, daß sie dazu entschlossen ist, eine erneute Eskalation zu verhindern. „Wir tolerieren keine Gewaltexzesse in Hamburg – weder von rechts, noch von links!“, gab Polizeipräsident Ralf Martin Meyer die Richtung vor. Doch ob die Behörden dieses Versptrechen auch tatsächlich einhalten können, erschien Anfang der Woche durchaus ungewiß.

Länder schicken kaum Verstärkung

Aus Polizeikreisen verlautete, daß die erwartete Demonstration bisherige Größenordnungen sprengen könnte. So werden Vorkehrungen getroffen, sich den erwarteten etwa 3.000 Rechtsextremisten und den bis zu 15.000 Gegendemonstranten, die sich unter dem Motto „Hamburg wird rechtsfrei. Hetzjagd auf Nazis am 12. September!“ organisieren, entschlossen entgegenzustellen. 

Hierfür veranschlagen die Behörden den Einsatz von mehr als 4.000 Polizisten. Die der Stadt zur Verfügung stehenden lokalen Kräfte bestehend aus Alarmabteilung und Bereitschaftspolizei benötigen massiv Verstärkung. Anderenfalls droht ein „polizeilicher Notstand“. Es wurden 3.000 Polizisten aus anderen Bundesländern angefordert. Doch Angesichts der Asylkrise fielen die Rückmeldungen mager aus. Die Hamburger Polizeiführung kann zur Unterstützung vermutlich lediglich mit 800 Einsatzkräften aus anderen Bundesländern rechnen. Vor allem die Süd-Länder Bayern und Baden-Württemberg verweisen in diesem Zusammenhang auf die Flüchtlingssituation, die erhebliche Kontingente bindet. 

Auch aus diesem Grund wurde in der vergangenen Woche die Demonstration vorsorglich verboten. „Die sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern des Aufzuges und gewaltbereiten Gegnern können nicht mit den zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften verhindert werden“, begründete die Polizei diesen Schritt. Doch der Veranstalter des „Tages der Patrioten“ legte am Montag vor dem Hamburger Verwaltungsgericht Widerspruch gegen die polizeiliche Verfügung ein. Mit guten Erfolgsaussichten.