© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Zeitschriftenkritik: Archäologie in Deutschland
Auf Urnenfeldern beigesetzt
Werner Olles

In der spätesten Bronzezeit (etwa 1300–800 v. Chr.) entwickelte sich im südlichen Mitteleuropa die Urnenfelderkultur. Der Name leitet sich von der damals dominierenden Grabform ab, und trotz regionaler Unterschiede lassen sich vom Pariser Becken bis ins Karpatenbecken und zur unteren Donau viele Ähnlichkeiten im Umgang mit den Toten erkennen. Vor allem in Süddeutschland hat man bereits Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Urnengräberfelder ausgegraben, doch ist ihre systematische Erforschung bis heute nicht abgeschlossen.

Neben der Zeitperiode wird der Begriff „Urnenfelderkultur“ als Bezeichnung für spätbronzezeitliche Gesellschaften zwischen Ostfrankreich und den Karpaten sowie der deutschen Mittelgebirgsregion und dem Alpenraum verwendet. Diese Epoche war eine Phase zahlreicher Veränderungen: Das Siedlungswesen wandelte sich, und überregionaler Handel wurde entwickelt. Die vom Verband der Landesarchäologen zweimonatlich herausgegebene Zeitschrift Archäologie in Deutschland (AID) befaßt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (4/2015) in ihrem Titelthema mit dieser Zeit, die in mehreren Einzelbeiträgen zu Wirtschaft, Siedlungswesen oder der Kultpraxis vorgestellt wird. 

So erscheint die Spätbronzezeit in Mitteleuropa als eine Phase, in der wichtige Entwicklungen ihren Ausgang nahmen. Neben wirtschaftlichen und technischen Innovationen mehren sich die Indizien für eine stärkere soziale Differenzierung, die besonders im archäologischen Befund deutlich sichtbar wird. Die Sitte der Urnenfelderkultur, Tote und in der Regel auch deren Beigaben zu verbrennen sowie kaum aufwendige Grabbauten anzulegen, bietet Einblicke in die Entstehung dieser Anlagen. Eine typische Erscheinung der Urnenfelderkultur sind niedergelegte Metallgegenstände wie Waffen, Werkzeuge, Gefäße, Schmuck, intakte Stücke ebenso wie Brucherz und Rohmetall, die in Gewässern und Mooren, in Siedlungen oder auf freiem Feld gefunden werden. 

Daneben beschäftigt sich AID mit den Anfängen der archäologischen Denkmalpflege im Rheinland, das vor 200 Jahren preußisch wurde, womit eine schwierige Zeit des Miteinanders von Preußen und Rheinländern in Politik, Verwaltung, Kirche und Gesellschaft begann. Das baukulturelle und archäologische Erbe auf dem Gebiet der alten preußischen Rheinprovinz ist allgegenwärtig, zahlreiche Strukturen, Institutionen, Entwicklungen und Geisteshaltungen von damals wirken heute noch nach. Auch der sogenannte Xantener Knabe, ein „Stummer Diener“ aus Bronze, der mittelalterliche Bayenturm mit der 1816 bis 1819 errichteten preußischen Kasematte, die später in ein Militärgefängnis umgewandelt wurde, oder der sogenannte Schinkenkesselturm der preußischen Festungsmauer am Deutzer Rheinufer in Köln sind Beispiele für den raschen Aufschwung und Aufbruch in die Moderne nach der Eingliederung Kölns und des Rheinlands in die preußische Monarchie.

Kontakt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Hindenburgstr. 40, 64295 Darmstadt. Das Einzelheft kostet 9,95 Euro, ein Jahresabo 69,90 Euro. www.aid-magazin.de