© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Grüße aus Brüssel
Zwerg gegen Koloß
Carl Gustaf Ströhm

Städte werden oft mit Wahrzeichen verbunden, um sie in ihrer Fülle leichter zu identifizieren oder ihnen ein Merkmal zu geben, das sie deutlich von anderen abhebt. So hat Wien seinen Stephansdom und Paris seinen Eiffelturm. 

Mittlerweile ist es schon ein Jahr her, daß es mich nach Brüssel verschlagen hat. Und so gespalten wie das Land selbst, das drei offizielle Sprachgruppen hat und einen wallonischen und einen flämischen Teil hat, ist auch die Hauptstadt bezüglich ihrer Wahrzeichen nicht ganz einig. 

Zum einen gibt es das Atomium, ein beeindruckender Restbeweis der Weltaustellung von 1958 in Brüssel. Mit seinen silbernen, gespiegelten Kugeln und der extravaganten Größe zeugt dieser Koloß von der Bedeutung der Weltaustellung jener Tage. 

Wer die Zeit findet sich stundenlang anzustellen und gleichzeitig einen viel zu hohen Eintrittsdpreis zahlen möchte, erfreut sich dort eines durchaus wunderschönen Ausblickes über Brüssel.

Kopie hin, Original her – mit seinem Lächeln läßt Manneken Pis selbst die EU erblassen. 

Neben dem Atomium ist der Manneken Pis das bekannteste Wahrzeichen der Stadt. Im Gegensatz zum riesigen Atomium ist dieser pinkelnde Bursche im wahrsten Sinne ein Zwerg. Dennoch sind die Brüsseler sehr stolz auf ihr Wahrzeichen, obwohl das Original nicht mehr  in der Nähe des Grand-Place/Grote Markt besichtigt werden kann, sondern lediglich eine Kopie. Grund dafür ist, daß das Pullermännchen schon etliche Male gestohlen wurde und die Stadt deswegen den Touristen eine Kopie vor die Nase gestellt hat. 

Seit geraumer Zeit kursiert aber ein Gerücht, daß selbst das Original, welches sich in der Maison du Roi befindet, selbst eine Kopie aus dem 19. Jahrhundert sein soll. Die Legende besagt, daß ein kleiner Junge die Stadt vor einer Katastrophe gerettet haben soll, indem er mit Hilfe seines gezielten Wasserstrahls die brennende Lunte einer für den Grand-Place bestimmten Bombe gelöscht hat. Tatsächlich wurde der Brunnen aber unter der Herrschaft der Herzöge Albert und Isabella 1619 vom Brüsseler Bildhauer Hieronimus Duquesnoy geschaffen, um das Viertel mit Trinkwasser zu versorgen. Eine Untersuchung soll nun Aufschluß darüber bringen, ob Manneken Pis der ist, der vor rund 400 Jahren aufgestellt wurde. 

Ob Original oder Kopie. eines bleibt gewiß: Manneken Pis erinnert – mit seinem frechen Lachen – ein wenig als kecke Antwort auf die dröge Arbeit der EU.