© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Heroin für Honecker
Franz Josef Strauß und die DDR-Milliardenkredite
Christian Vollradt

Ausgerechnet Franz Josef Strauß, der – nach DDR-Lesart – „größte Antikommunist“, soll Ende Juni 1983 dem SED-Staat das Überleben gesichert haben. Das sorgte beim politischen Gegner für Spott und Häme, bei vielen Parteifreunden für Irritationen und veritable Verärgerung. Die Quittung erhielt Strauß auf dem CSU-Parteitag am 14. Juli 1983, wo er nur 77 Prozent der Delegiertenstimmen bei der Wahl zum Vorsitzenden bekam – anstelle der 90 plus x in den Jahren zuvor; eine schallende Ohrfeige. Zu Recht? 

Seit 1981 war „die Westverschuldung der DDR zu einer Katastrophe geworden“, so der Vorsitzende der Staatlichen Planungskommission, Gerhard Schürer. Verschärft wurde diese Situation noch dadurch, daß die Sowjetunion die Erdöllieferungen an ihren Satellitenstaat um zwei Millionen Tonnen gedrosselt hatte, die das faktisch zahlungsunfähige Land jedoch dringend brauchte. Die beiden 1983 und 1984 von Strauß vermittelten Kredite unter Federführung der Bayerischen Landesbank (angeblich eine Idee Helmut Kohls) von je  einer Milliarde D-Mark verschafften der DDR Entlastung. Denn mit den hauptsächlich in Luxemburg geparkten Geldern konnte anderen potentiellen Kreditgebern aus dem Ausland eine (vermeintliche) Kreditwürdigkeit suggeriert werden. Die Bundesrepublik übernahm die Bürgschaft, wobei im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der DDR Forderungsabtretungen unter anderem aus den Transitgebühren geltend gemacht worden wären. 

Auf den ersten Blick hatte Strauß tatsächlich genau dasselbe gemacht, was er und die Union den Entspannungspolitikern der SPD stets vorwarfen: Zugeständnisse an die DDR unter Verzicht auf Gegenleistungen. Doch die gab es – wenn auch nicht schriftlich fixiert. So ließ Staats- und Parteichef Erich Honecker Ende 1983 die Selbstschußanlagen an der Grenze demontieren und Minen räumen, mehr Häftlinge freikaufen und so viele Ausreisen wie nie zuvor genehmigen. 

„Die DDR muß von der D-Mark so abhängig werden wie ein Rauschgiftsüchtiger vom Heroin!“ äußerte Strauß einmal. Der Realpolitiker wußte, daß es 1983 ein zu hohes Risiko gewesen wäre, die DDR pleite gehen zu lassen, da bei inneren Unruhen die Sowjet-union wahrscheinlich gewaltsam eingegriffen hätte. Außenpolitisch herrschte noch eine andere Situation als 1989.