© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Neuer Anlauf
AfD: Nach der Spaltung und dem Verlust von gut 20 Prozent der Mitglieder sieht sich die Partei wieder im Aufwind
Marcus Schmidt

Mit der AfD geht es wieder bergauf. Jedenfalls dürfte ein Blick auf die jüngsten Umfragen der neuen Parteiführung um die beiden Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen einen Grund gegeben haben, einmal kräftig durchzuatmen. In einer am Montag veröffentlichten Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa liegt die Partei mit 4,5 Prozent wieder in Sichtweite der Fünfprozenthürde und sogar wieder vor der FDP. Forsa und Emnid sehen die AfD derzeit bei vier Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen und die Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung bei drei Prozent. 

Und auch in den Medien läuft es plötzlich wieder besser. Noch in der Sommerpause hatte die Ein- und Ausladung von Petry zur Sendung „Menschen bei Maischberger“ für Aufregung im AfD-Umfeld gesorgt und zu Spekulationen über einen politischen Hintergrund Anlaß gegeben. Doch in dieser Woche sitzen AfD-Politiker gleich in zwei Fernsehsendungen. Während Petry am Montag als sächsische Fraktionsvorsitzende in der MDR-Sendung „Fakt ist ...“ auftrat, stand Parteivize Alexander Gauland am Dienstag auf der Gästeliste der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger. Beide Male ging es um die Asylkrise und damit das Thema, das seit Wochen die Schlagzeilen bestimmt. 

Für die AfD-Führung sind diese Einladungen ein zweischneidiges Schwert. Denn eigentlich hatte sich die neue Partei-Spitze vorgenommen, alles zu tun,  um nicht wieder als Ein-Themen-Partei zu erscheinen – diesmal allerdings nicht als Partei der Eurokritiker, sondern als Sammelbecken der Asylkritiker. Schon auf der ersten Pressekonferenz nach dem Essener Parteitag war auffällig, wie bemüht die AfD-Spitze versuchte, das Thema Asyl und Flüchtlinge zu umschiffen. Damit wollte die Parteiführung verhindern, in die von Ex-Parteichef Bernd Lucke gestellte Falle zu tappen. Lucke hatte seinen Austritt aus der AfD mit der Behauptung begründet, die Partei sei in Essen weit nach rechts gerückt.

Doch die AfD kann an der Asylkrise nicht vorbeigehen. Zwar heißt es weiterhin, das Thema Asyl sei nur eines von insgesamt fünf Kernthemen. Doch nach der vorläufigen Euro-Rettung Mitte August, zu der die Partei eine Demonstration vor dem Brandenburger Tor organisiert hatte, besteht kein Zweifel mehr, daß die Asylkrise nicht nur für die anderen Parteien, sondern auch für die AfD auf Wochen, wenn nicht gar Monate das wichtigste Thema sein wird. Am kommenden Montag will die Parteiführung diesem Umstand Rechnung tragen und in Berlin ein Positionspapier zur Asylkrise vorstellen.

Die faktische Spaltung der AfD Anfang Juli auf dem Parteitag in Essen hatte die Partei kräftig durcheinandergeschüttelt. Tausende haben seitdem ihr Parteibuch zurückgegeben. „Wie von uns erwartet, sind nach dem Parteitag in Essen rund zwanzig Prozent der ursprünglich 21.000 Mitglieder ausgetreten“, berichtet AfD-Sprecher Christian Lüth der JUNGEN FREIHEIT. „Mittlerweile gibt es aber eine Trendwende. Wir haben kaum noch Austritte, aber mindestens 3.000 Aufnahmeanträge.“ Mit einer „Herbstoffensive“ will die Partei nun verstärkt für ihre Ziele und um neue Mitglieder werben.

Trotz der Trendwende wiegt der Aderlaß für die Partei schwer. Neben Lucke sind mit Ulrike Trebesius, Bernd Kölmel, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty insgesamt fünf der ursprünglich sieben AfD-Europaabgeordneten ausgetreten. Mit Philipp Ritz und Philipp Meyer haben unter anderem auch zwei ehemalige Vorsitzende der Nachwuchsorganisation Junge Alternative die AfD verlassen. Von den einst 48 Landtags- und Bürgerschaftsabgeordneten hat die AfD sechs verloren. Dazu kommen zahlreiche kommunale Mandatsträger. Manche Kommune ist mittlerweile wieder „AfD-frei“, wie politische Gegner in den sozialen Netwerken schadenfroh vermeldeten. „Bei den kommunalen Mandatsträgern ist die Quote etwas niedriger als bei den Mitgliedern“, berichtet Lüth. „Von ihnen haben ungefähr 15 Prozent die AfD verlassen.“ Die AfD-Führung bemüht sich unterdessen, die Partei auch organisatorisch wieder zu konsolidieren. Mitte August trafen sich die verbleibenden beziehungsweise bereits neugewählten Landesvorstände mit dem Bundesvorstand zu einem Koordinierungstreffen in Kassel, um eine erste Bilanz nach der Spaltung zu ziehen. Hier wurden auch die Weichen gestellt für die konstituierende Sitzung des in der Bremer Satzung vorgesehenen Parteikonvents. Dieses Gremium, das aus Vertretern der Landesverbände und des Bundesvorstandes besteht, hatte in der Hochphase des Machtkampfes zwischen Lucke und Petry um die Parteiführung bereits eine Rolle gespielt. Petry hatte Anfang Juni versucht, den Konvent kurzfristig einzuberufen, war aber schließlich vom Bundesvorstand gestoppt worden. Nun soll der „kleine Parteitag“ erstmals an diesem Freitag zusammenkommen.

Foto: AfD-Demonstration in Berlin gegen das dritte Griechenlandpaket: Mittlerweile wieder mehr Ein- als Austritte