© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Knapp daneben
Festivals für Senioren
Karl Heinzen

Wer heute jung ist und danach fragt, was die Großeltern wohl auf dem Kerbholz haben, muß nicht mehr befürchten, mit Kriegsverbrechen konfrontiert zu werden. Er darf sich aber darauf gefaßt machen, auf allerlei Geschmacklosigkeiten zu stoßen. Wenn er Pech hat, fällt ihm die Langspielplatte „My Generation“ in die Hände, mit der eine Gruppe langhaariger Ohrfeigengesichter, die sich „The Who“ nannte, 1965 für Furore sorgte. In Ekstase sollen ihre Hörer damals verfallen sein, wenn Sänger Roger Daltrey die Titelschnulze zum besten gab, die mit der Textzeile „Yeah, I hope I die before I get old“ den Höhepunkt im lyrischen Schaffen des Songwriters Pete Townshend markiert. Die in ihr zum Ausdruck gebrachte Hoffnung sollte sich aber weder für Townshend noch für Daltrey erfüllen. Beide leben heute, ein halbes Jahrhundert später, noch immer.

Neue Konzepte weisen aber den Ausweg, wie sich zahlungskräftige Ältere gewinnen lassen.

Insgesamt ist festzuhalten, daß sich die Generation, die „The Who“ besang, erstaunlich gut gehalten hat. Sie fühlt sich weiterhin jung und den Träumen von einst verbunden. Da sie unternehmungslustig ist, trifft man sie zuhauf auch in Konzerthallen an, auf der Bühne wie im Publikum. Dort ist immerhin für Basiskomfort gesorgt. Die Toiletten sind in Reichweite, die Nichtraucherschutzgesetze sorgen für akzeptable Luft, und oft kann man sich sogar irgendwo hinsetzen. Auf Festivals im Freien ist das anders. Das Wetter und das Programm mögen noch so gut sein, am Schluß sind alle verdreckt, übermüdet und mit den Nerven fertig. Jugendlichen mag dies nichts ausmachen, aber sie sind nicht die Klientel, mit der man Geld verdient.

Neue Konzepte weisen aber den Ausweg, wie sich zahlungskräftige Ältere gewinnen lassen. „A Summer’s Tale“ in der Lüneburger Heide bietet Comfort-Camping mit Gourmet-Menü an. Bei „Rock am Ring“ läßt sich ein Platz im Wohncontainer mit Stromanschluß buchen. Wacken vermietet exklusive Dixi-Klos für 150 Euro. Dies kann aber nur ein Anfang sein. Wer die Rocksenioren wirklich gewinnen will, muß etwas gegen den Lärm unternehmen und vor allem den jugendlichen Mob, der sich vergnügt anstatt zu lernen oder zu arbeiten, aussperren.