© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Der doppelte Uli kommt
ZDF, Sat.1: Gleich zwei Filme widmen sich Uli Hoeneß, leider verbreiten beide nur die üblichen Vorurteile
Ronald Gläser

Der 16jährige Uli Hoeneß räumt nach Ladenschluß die väterliche Metzgerei auf. Er und sein Vater diskutieren, wie sich das familiäre Wurstgeschäft erweitern ließe. „Wir müssen investieren“, fordert Uli. Darauf fragt der Vater, woher das Geld kommen solle. Uli antwortet „die Bank“, aber das Familienoberhaupt schneidet ihm das Wort ab: „Die Metzgerei Hoeneß macht keine Schulden.“ Stattdessen rät er seinem Sohn, lieber etwas zurückzulegen. „Für schlechte Tage“, fügt er hinzu.

Uli Hoeneß hat sich den Rat seines Alten Herrn zu Herzen genommen und tatsächlich etwas zurückgelegt. Als er 2013 eine Selbstanzeige wegen seiner Schweizer Bankkonten machte, da war die Steueraffäre Hoeneß geboren, die die Deutschen bis heute beschäftigt und dem Wurstfabrikanten eine Gefängnisstrafe einbringen sollte. Von all dem handelt die ZDF-Dokumentation „Der Patriarch“, in der auch zu Beginn das Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn geschildert wird.

Als Mischung aus nachgestellten Szenen und Berichten von realen Personen wie Wegbegleitern und Journalisten arbeitet der neunzigminütige Film den Fall Hoeneß auf. Gezeigt wird ein Junge, für den die Schule das Wichtigste ist und der mit seinen Vereinskameraden Latein sprach. Ein Mann, der es gelernt hat, hart zu arbeiten, und der sich ärgert, daß trotzdem oft zuwenig übrigbleibt. Der seine Jugend dem Erfolg opfert und mit 22 Jahren durch einen von „Tempo und Power“ geprägten Einsatz Fußball-Weltmeister wurde. Der nach seinem verletzungsbedingten Ausscheiden aus der Mannschaft seine Karriere abrundete, indem er zu einem Top-Manager des deutschen Fußballs aufstieg. Der eine „besondere Fürsorglichkeit für eigene Leute“ entwickelte, so Münchens Ex-Oberbürgermeister Christian Ude. Der Millionen für gemeinnützige Zwecke gespendet hat, aber dessen Spekulationsverluste vom Finanzamt ebensowenig zu seinen Gunsten berücksichtigt wurden wie seine Selbstanzeige.

Gezeigt wird auch der ehrgeizige Geschäftsmann. Der Strippenzieher, der Christoph Daum als Nationaltrainer in spe zu Fall brachte – sicherlich das schwärzeste Kapitel in Hoeneß’ Biographie. Hoeneß’ Bild bleibt aber sympathisch.

Der „Patriarch“ will beiden Seiten gerecht werden

Seine Gegner werden als strikte Exekutoren des Steuerstaats gezeigt: griesgrämige und mißmutige Vertreter der Justiz, unerbittliche Staatsbeamte bei Hausdurchsuchung und Festnahme des Delinquenten. Die Vertreter der Staatsanwaltschaft sind so seelenlose Apparatschiks, daß sie alle auch gut unter Erich Honecker hätten Karriere machen können. Und zwar sowohl die gespielten als auch die echten. Leider gibt es nach der Hälfte des Films einen Bruch: Plötzlich werden all die bösen Vorwürfe erhoben, die Hoeneß seit zweieinhalb Jahren zu Unrecht gemacht werden – vorneweg „Gier“ (Ude) oder „asoziales Verhalten“ (Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges). Es lohnt sich daher, die ZDF-Doku nach einer knappen Stunde abzuschalten.

Weniger ernst und anspruchsvoll ist eine Klamotte, die Sat.1 im September ausstrahlt. Uwe Ochsenknecht, der schon Konrad Kujau in „Schtonk!“ grandios imitiert hat, brilliert als Udo Honig. Geschildert wird der Fall und der Knastalltag von Hoeneß. Jetzt also das Ganze noch mal als Fiktion: Honig saniert die Justizvollzugsanstalt in Null Komma nix und bekommt Besuch von seiner Frau („Den ganzen Tag lungern Journalisten ums Haus rum“) und seinem Freund Franz Kaiser („Das Leben ist rund und dauert, bis der Herrgott abpfeift“), der ihn mit dem neusten Klatsch vom Fußballclub versorgt. Amüsant und politisch unbedenklich. Der Untertitel „Kein schlechter Mensch“ soll signalisieren, daß Honig nicht vorsätzlich böse gehandelt hat.

Beide Filme schildern Hoeneß als verantwortungslosen Zocker, so als hätte er seine Geschäfte mit dem Geld anderer Leute getätigt. Grundlegende Fragen geht keiner der Streifen an. Was geht es eine Regierung überhaupt an, wenn ein Bürger ein Konto im Ausland hat? Von den anderen irrsinnigen Steuergesetzen unseres Landes ganz zu schweigen. Und wie konnte sich aus Neid und antibayerischen Ressentiments eine solche Pogromstimmung entwickeln wie seinerzeit gegen Hoeneß? Während „Udo Honig“ hinter „Schtonk!“ zurückfälllt, ist die ZDF-Doku streckenweise frei von negativen Emotionen gegenüber Hoeneß. Leider nimmt sie in der zweiten Halbzeit die beschriebene negative Wendung. Ansehen lohnt trotzdem.

Gleich zwei Uli-Hoeneß-Filme: ZDF: „Der Patriarch“, 27. August, 20.15 Uhr. Sat.1:  „Die Udo Honig Story“, 8. September, ebenfalls  20.15 Uhr, anschließend Doku