© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Das ist jeden Tag Film hier“, seufzt ein Freund am Mobiltelefon, während er damit beschäftigt ist, in Berlin-Kreuzberg einzuparken. Dabei spielen die wirklich dramatischen Szenen in der Realität. Nur wenige Augenblicke zuvor hält dort ein Motorrad neben einem Pkw. Aus heiterem Himmel schlägt der Motorradfahrer – durch das offene Fenster der Fahrertür – dem Mann hinter dem Steuer mit der Faust ins Gesicht, um dann davonzusausen. Das wäre eigentlich ein schöner Fall für „Liebling Kreuzberg“ – doch keine Atempause, Geschichte wird gemacht: Die Sitten auf den Straßen werden immer rauher.


Nicht einmal im Taxi ist man sicher. Schon lange bevor die Zuwanderung aus dem Morgenland Konturen gewann, hatte mich auf der Fahrt von Mitte nach Friedrichshain ein zweifellos islamistischer Taxifahrer – finster dreinschauend, mit furchteinflößendem wilden Bart, typischer Kopfbedeckung und Gebetskettchen, den Koran auf der Ablage – auf offener Strecke aus unerfindlichem Grund aus dem Wagen geworfen. Die physische Angst vor dem Typen war so akut, daß ich gar nicht erst versuchte, zu widersprechen oder via Mobiltelefon Hilfe zu suchen. – Natürlich bin auch ich daran schuld. Das müssen die Folgen unserer mangelnden Wilkommenskultur sein.


Auch das Taxigewerbe selbst ist gefährdet. Immer häufiger werben Taxis auf ihren Türen für den dubiosen US-Konkurrenten „Uber“. An „Uber“-Regulierung mangelt es offenbar nicht – jedenfalls weiß ich mir nur noch durch Wortspiele zu helfen, um den Irrsinn des gesellschaftlichen und politischen Alltags auszuhalten. Als ich mit meinem Nachbarn über die Asylantenflut reflektiere, scheint es mir, daß die Propagandisten der Flüchtlingsindustrie uns im Prinzip dazu auffordern, aus der „Passivität“ herauszutreten und wieder als Subjekte die Herausforderung aktiv zu gestalten, indem wir die Grenzen für alle öffnen. Darauf er: „Genau so ist das, vor dir steht der Fremde mit dem Messer, und du ergreifst dessen Hand und führst das Messer in deinen Körper.“ Das ist dann sicher die zielführende, gelingende Integration.


Als ich die Berliner Morgenpost lese, die über die protestierende Anwohnerschaft im sächsischen Heidenau gegen das Asylheim berichtet, notiert meine innere Stimme unwillkürlich: „Rechtsextreme greifen Politik und Flüchtlingsheime an“ – tatsächlich war es ein Freudscher Effekt, denn statt „Politik“ steht in der Überschrift „Polizei“. Das Verdrängte bahnt sich seinen Weg.