© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Rette sich, wer kann
Finanzliteratur: Der Wirtschaftsanwalt Wolfgang Philipp entlarvt das neue Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) als Lobbykonstrukt zur Bankenrettung
Jörg Fischer

Jede Forderung nach Rückübertragung einer Zuständigkeit von Europa auf die nationale Ebene wird als Nationalismus oder Europafeindlichkeit diffamiert. Dabei sorgt die Konzernpresse im Interesse der deutschen Großunternehmen und Banken mit gleichlautenden Kommentaren für die entsprechende Begleitmusik. Und viele Linke fallen darauf herein“, klagte kürzlich Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine. Ähnliches läßt sich über Konservative sagen, die der Regierungspropaganda sowie deren publizistischen Claqueuren glauben, bei künftigen Euro- und Bankenrettungen würden die Bürger und Unternehmer nicht zur Kasse gebeten. Dafür sorgt unter anderem das neue Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG), das im Mai durch das Einlagensicherungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz ergänzt wurde. Das SAG setzt die EU-Richtlinie 2014/59  in deutsches Recht um und regelt die Rettung von angeblich „systemrelevanten“ Banken und Fonds.

Liquidität und das Vermögen der Bankkunden in Gefahr

Mit dem SAG werde sichergestellt, daß bei einer Bankensanierung die Steuerzahler geschont werden, versprach Wolfgang Schäuble. „In erster Linie haften die Eigentümer, die Gläubiger der Banken in der Hierarchie der unterschiedlich riskanten Papiere“, so der Finanzminister, erst danach müsse der Euro-Mitgliedstaat „seine Verantwortung übernehmen“. Sparer mit Guthaben unter 100.000 Euro müßten nicht haften – solange die Einlagensicherung liquide ist, wäre hinzuzufügen.

Größere Guthaben werden durch das SAG aber als „berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“ nun zu „Reservehaftkapital“, warnt der Wirtschaftsanwalt Wolfgang Philipp in seinem neusten Buch „Rette sich, wer kann vor dieser Bankenrettung“. Es drohen Totalverluste „wie bei Zertifikaten und Derivaten“. Auf Schäubles vage Zusage, Privatpersonen und Unternehmen mit höheren Einlagen würden möglichst auch geschont, sei kein Verlaß. Ebensowenig auf die Neutralität der Entscheidungsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die vom Ex-Dresdner Bank-Chef Herbert Walter geleitet wird. Im Gegenteil: „Im Abwicklungsfall sind zahlreiche Insolvenzen der Bankkunden mit schwerwiegenden Rückwirkungen auf die deutsche Wirtschaft und entsprechenden Arbeitsplatzverlusten zu erwarten“, so Philipp. Der deutsche Mittelstand ist auf Bankdienstleistungen existentiell angewiesen. Doch das SAG macht das Rückgrat der Wirtschaft zum Teil der „Haftungskaskade“ – sprich: Der Gewinn und die Managerbezüge „werden eingeheimst, für die Schulden haften die eigenen Kunden, Pleite gibt es nicht“, konstatiert Philipp. 

„Die Macht der Banken übersteigt die Macht der Regierungen, nachdem diese ihnen das Etikett ‘systemrelevant’ verliehen haben und dadurch erpreßbar geworden sind.“ Daß das SAG bis jetzt noch keinen Wikipedia-Eintrag hat, zeigt allerdings, daß die Brisanz des Gesetzes – etwa auch für die private Altersvorsorge – der breiten Öffentlichkeit bislang verborgen blieb.

Wolfgang Philipp: Rette sich, wer kann vor dieser Bankenrettung. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2015, broschiert, 75 Seiten, 9,90 Euro